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Unternehmenswerte leben und umsetzen

Kaum ein Unternehmen, das nicht Werte – welche auch immer – verkörpert. Ich finde: In vielen Fällen eine positive Entwicklung. Denn wie ich schon in meinem letzten Post (Werte sind für Unternehmen nicht nur moralisch wertvoll) gezeigt habe, ist die alleinige Fixierung auf den Shareholder Value viel zu kurz gegriffen. In einer werteorientierten Welt ist das kapitalistischer Schnee von gestern. Wenn ein Unternehmen langfristig überleben und wachsen will, dann muss es neben Profitstreben auch soziale und ökologische Maximen verkörpern. Nur Unternehmenswerte in die Hochglanzbroschüre zu drucken und schicke Kommunikationskampagnen zu machen bringt herzlich wenig. Unternehmenswerte müssen im Unternehmensalltag praktisch gelebt, tief verankert und umgesetzt werden. In meiner Serie über Unternehmenskulturen geht es heute um Wertemanagement und welche Rolle Werte bei Unternehmensentwicklung, Employer Branding, Führung und Mitarbeiterbindung spielen können.

Unternehmenswerte und ihre Funktionen

Viele Unternehmen drucken einen schicken Flyer, bauen coole WeCare-Apps oder Webseiten auf, mit denen sie dann ihr Regenwald-Projekt und die Spende für’s SOS-Kinderdorf als gelebte Unternehmenswerte für soziales Engagement aufführen. Sicher oftmals löblich, hat aber nichts mit Unternehmenswerten zu tun. Denn Unternehmenswerte haben ganz konkrete Funktionen:

  • Unternehmenswerte bilden die Handlungs- und Entscheidungsgrundlage für alle Mitarbeiter
  • Unternehmenswerte konstituieren die Identität eines Unternehmens
  • Unternehmenswerte schaffen Loyalität und binden die richtigen Mitarbeiter an das Unternehmen.

Welche Werte das sind, unterscheidet sich von Unternehmen zu Unternehmen. Die Definition der Unternehmenswerte sehen die meisten als kleineres großes Problem – die viel größere Herausforderung ist, sie konsistent in allen Bereichen des Firmenalltags umzusetzen.

Unternehmenswerte mit Wertemanagement umsetzen

Dafür braucht man ein Wertemanagement. Und: Es ist nicht damit getan, einmal Werte zu definieren, dann die vier Stufen zu durchlaufen und schwupp hat man Unternehmenswerte, die im Alltag umgesetzt werden. Nein, Wertemanagement ist ein dynamischer und zyklischer Prozess, der ständig wieder von vorne beginnt. Denn (Unternehmens-)Werte sind nicht statisch sondern dynamisch: Sie sind abhängig von der jeweiligen Zeit, Situation, wirtschaftlichen Lage etc. Die vier Stufen basieren auf einem Paper über Unternehmenswerte von Dr. Bernhard von Guretzky, der sich praktisch und theoretisch mit organisationaler Unternehmensentwicklung beschäftigt.

Stufe 1: Kodifizieren

  • Analysieren, inwieweit die angestrebten Unternehmenswerte bereits verwirklicht wurden.
  • Wert- und Zielkonflikte bewerten
  • Verhaltenswerte aus den Leitwerten ableiten: Code of Ethics.

Ein Beispiel: Die britische Zeitung Guardian definiert als einen Leitwert „integrity“. Um diesen Wert konkret fassbar zu machen, muss man ihn in Handlungsanleitungen „übersetzen“. Also z.B. Recherche nur mit lauteren Mitteln, Veröffentlichung nur von gesicherten Fakten, bestimmte Inhalte, die Menschen herabwürdigen nicht veröffentlichen etc. – diese Handlungsanweisungen fließen in den Code of Ethics.

Stufe 2: Kommunizieren

  • ständiges Feedback
  • partizipatives Erarbeiten
  • Stakeholder einbeziehen

Die Kommunikation und Erarbeitung über Werte mit allen Stakeholdern hat zwei Ziele: Zum einen die Evaluation und Modifizierung. Zum anderen: Nur wenn Mitarbeiter, Führungskräfte, Kunden, Anteilseigner und Lieferanten konsequent miteinbezogen werden, vertreten sie die Unternehmenswerte auch aus einer intrinsischen Motivation

heraus. Das stärkt die Loyalität gegenüber dem Unternehmen, verringert die Fluktuation und kräftigt die Mitarbeiterbindung.

Deutsche Bank, Unternehmenswerte
So stellt die Deutsche Bank auf ihrer Homepage ihre Unternehmenswerte dar… (Screenshot von www.db.com/nachhaltiges-bankgeschaeft/)

Das Gegenteil und derzeit die größte Lachnummer, wenn es um einen hochgepriesenen Kulturwandel geht, ist derzeit die Deutsche Bank.  Kein anderes Unternehmen verkörpert Lügen, Betrug und Gier so stark wie das Geldinstitut. Die internen Querelen, die nicht endenden Gerichtsprozesse und ständig neu auftauchende „Leichen“ aus dem Keller zeigen, dass der Vorstand kein gelebtes Vorbild ist. Daher wird der propagierte Wandel weder von den Mitarbeitern noch von Bewerbern geschweige denn von Kunden ernst genommen. Gut gemeint ist eben das Gegenteil von gut gemacht! Das gilt vor allen Dingen dann wenn man werteorientiert agieren will.

Stufe 3: Implementieren

Unternehmenswerte, Hände
Unternehmenswerte schaffen Identität, motivieren und wirken sinnstiftend. (© Robert Kneschke – Fotolia.com)
  • Kooperationspartner auf Basis der Unternehmenswerte auswählen
  • Mitarbeiterauswahl und -beurteilung an Unternehmenswerten messen
  • HRM: Werte als Kriterien bei Zielvereinbarungen (z.B. in Mitarbeitergesprächen)

Die Umsetzung der Unternehmenswerte in der Praxis ist eine Herausforderung, an der viele Unternehmen scheitern. Denn ein Kulturwandel beinhaltet oft das Über-Bord-Werfen tradierter Prozesse, Strukturen und Haltungen, die sich über Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte hinweg eingeschliffen haben. Deshalb muss der Code of Ethics ganz konkret und vor allem widerspruchsfrei in die Praxis umgesetzt werden. Es darf keinen Prozess und keine Handlung geben, die nicht wertekonform ist. Passiert dies nicht, fehlen die Glaubwürdigkeit und die Substanz.

Geht es beispielsweise um Mitarbeiterrekrutierung und -bindung, dann sollten schon hier die Unternehmenswerte im Vordergrund stehen. Bereits in den Kompetenzmodellen, der Bedarfsplanung und Ausschreibung müssen die Werte eine Rolle spielen und Auswahlkriterium sein. Ist – wie bei General Electrics – „resourcefulness“ (Einfallsreichtum, Erfindergeist) ein Unternehmenswert, dann kann in der Stellenanzeige also bereits Kreativität, Innovation und Querdenkertum gefordert werden.

Für eine gute Mitarbeiterbindung muss die Bewertung konsistent sein; d.h. Mitarbeiter müssen nach den Kriterien bewertet werden, aufgrund derer sie eingestellt wurden. Mitarbeitergespräche, Feedback und Zielvereinbarungen schaffen einen weiteren Baustein, in dem die Unternehmenswerte in die Praxis umgesetzt werden.

Stufe 4: Die Organisation

  • Schulungsprogramme
  • Seminare, Workshops
  • Mentoring Programme
  • Unternehmenskommunikation
  • Öffentlichkeitsarbeit

Die Implementierung der Unternehmenswerte muss organisatorisch unterstützt werden. Als Beispiel: Die Otto-Gruppe vertritt seit über 25 Jahren den Wert „Nachhaltigkeit“ – in Bezug auf Produkte, Handel und Wachstum. Soziale und ökologische Projekte verdeutlichen dieses Engagement in der Praxis. Mit dem Projekt „Platz schaffen mit Herz“ kann jeder gebrauchte Kleidung versandkostenfrei an Otto schicken. Die Erlöse aus den Spenden kommen z.B. der Welthungerhilfe oder dem Naturschutzbund (NABU) zu Gute.

Werte schaffen Werte

Werte und eine wertorientierte Unternehmenskultur lassen sich nicht einfach so mal schnell umsetzen, indem man ein paar Stichpunkte auf ein Papier kritzelt. Man muss systematisch vorgehen, um Werte in der Unternehmenskultur zu verankern, zu verändern und im Alltag zu leben. Es muss belohnt werden wenn Werte gelebt werden und es darf keiner ohne Konsequenzen gegen die gemeinsamen Wertekonstrukte verstoßen. Dann profitiert das ganze Unternehmen: Mitarbeiter identifizieren sich mit ihrer Arbeit, sind zufriedener und leistungsfähiger, sie sind loyaler gegenüber dem Unternehmen. Aber auch Kunden und Banken legen Wert darauf, dass Unternehmen nicht nur profitorientiert wirtschaften. Unternehmen sind gläserner Gebilde, jede Handlung, jede Kommunikation, jede Produktgestaltung, jeder Auftritt von Mitarbeitern und jede Stellenanzeige sind Spiegelbilder für gelebte oder nicht gelebte Werte.

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Ein Kommentar zu “Unternehmenswerte leben und umsetzen

  1. Interessanter Artikel! Viele Unternehmen neigen noch dazu, zu unterschätzen, wie wichtig die Unternehmenswerte in vielerlei Hinsicht sind. Als Arbeitnehmer würde ich beispielsweise Unternehmen meiden, die keine etablierten Unternehmenswerte leben. Sie helfen doch sehr, einem Unternehmen eine eigene Persönlichkeit zu geben und als eine Art Kompass den Weg Richtung Ziel vorzugeben.

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