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managerfragen.org will das Vertrauen in die Wirtschaft zurückgewinnen

Clemens Brandstetter hat vor rund sechs Jahren das Portal managerfragen.org mitbegründet. Ich war von Beginn an bei der Gründung des NGO dabei. Hintergrund war, dass nach der Finanzkrise das Vertrauen in die Institutionen der Wirtschaft und in deren Management sehr stark gesunken ist. Die Menschen wollten wissen, was die Manager so treiben – nicht ganz zu Unrecht. Einen Raum, in dem ihre Fragen beantwortet werden, bietet das Online Portal managerfragen.org, wo ein respektvoller Dialog zwischen Managern und Bürgern stattfindet. Aufklärung, Dialog, Zuhören und Respekt voreinander sind der Schlüssel zu einem besseren Miteinander und führen im besten Fall zu Verhaltensänderungen auf beiden Seiten: Bei den Bürgern, aber auch beim Management. Clemens Brandstetter und das Team von managerfragen.org arbeiten ehrenamtlich und sind auf Spendengelder angewiesen. Ich unterstütze das Projekt finanziell, mit meinem Netzwerk und meiner Expertise und freue mich, dass Clemens das Projekt auf meinem Blog vorstellt.

„Reden wir miteinander statt übereinander“ – wie managerfragen.org das Vertrauen in die Wirtschaft wieder stärken will

Clemens, Du hast 2011 das Portal Managerfragen.org mitgegründet. Was ist das Ziel Eurer Initiative?

Das grundlegende Ziel von managerfragen.org ist die Rückgewinnung von Vertrauen in die Wirtschaft und ihre Führungskräfte, die ja die Unternehmen repräsentieren. Auf managerfragen.org wollen wir Austausch zu den gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit fördern und über die Verantwortung von Unternehmen in der Gesellschaft informieren und diskutieren. Statt übereinander soll miteinander geredet werden. Dazu bringen wir Bürger und Manager in einen Direktdialog. Neben dem gesellschaftlichen Anliegen der Rückgewinnung von Vertrauen haben wir als gemeinnütziger Verein einen Bildungsauftrag, nämlich die Dialog- und Diskurskompetenzen im Online-Bereich wie auch in persönlichen Diskursformaten zu stärken und zu entwickeln.

Quelle: managerfragenorg / YouTube

Nach Medienberichten über Betrug bei VW und der Deutschen Bank, Korruptionsskandalen bei Ergo und Siemens, Überwachung bei Lidl und Schlecker – wundert es Dich da, dass Bürgerinnen und Bürger das Vertrauen in das Top-Management verlieren?

Nein. Aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger ist dies sogar sehr gut nachvollziehbar. Insbesondere seit der Finanzkrise 2009 und den Jahren danach häufen sich die Skandale in der Berichterstattung und journalistischen Aufarbeitung. Verfehlungen werden medial zugespitzt. Die jährlichen Befragungen des Edelman Trust Barometers und andere Vertrauensstudien zeigen die entstandene Kluft zwischen Wirtschaft und Gesellschaft. Von der früheren Distanz, die zwischen den beiden Seiten herrschte, sind wir mittlerweile bei einer ausgewachsenen Vertrauenskrise angelangt.

Aber: Nicht alle Manager sind schlecht, korrupt oder haben nur ihre eigenen Interessen im Blick! Nicht alle Unternehmen haben nur die Profitmaximierung und Steuerschlupflöcher im Visier. Nicht zwangsläufig treffen Manager und Unternehmer harte unternehmerische Entscheidungen wie Restrukturierungen und damit verbundene Entlassungen rücksichtslos und ohne gesellschaftliches Gewissen; auch wenn die mediale Berichterstattung einen solchen Eindruck leicht vermitteln mag.

Leider begehren breite Teile der Wirtschaft und ihre Führungskräfte nicht oder viel zu wenig auf. Klar, es gibt schwarze Schafe – siehe oben – aber das ist nicht die breite Masse. Und weil ein gesellschaftlicher Diskurs viel zu wenig stattfindet und sich integre und verantwortungsvolle Unternehmer zu wenig in die Öffentlichkeit stellen, wird den Einzelfällen die Bühne überlassen. In der Vergangenheit fehlte es dabei auch einer geeigneten Plattform für einen solchen öffentlichen, direkten und fairen Austausch in der Direktkommunikation zwischen Bürgern und Top Managern. Managerfragen.org bietet daher mit seiner Online-Plattform genaue diesen Rahmen für einen Gesellschaftsdialog: statt übereinander miteinander zu reden.

Das herrschende Misstrauen in die Wirtschaft und ihre Institutionen ist also auch ein Wahrnehmungsproblem, dem Ihr mit Eurem Angebot entgegenwirken wollt. Wieso ist es ein gesellschaftliches Problem, wenn das Vertrauen in Top-Manager und Unternehmen sinkt?

Wahrlich eine gute und wichtige Frage. Vertrauen ist die Grundlage jeglicher Beziehungen und Miteinanders. Dies gilt im Privaten genauso wie im wirtschaftlichen Agieren zwischen Unternehmen und eben auch zwischen Wirtschaft und Gesellschaft.

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Die Online-Plattform managerfragen.org will eine neue Diskussionskultur fördern. (Bild: © Clemens Brandstetter / managerfragen.org)

Was infolge der Wirtschafts- und Finanzkrisen der vergangenen Jahre erodiert, ist nicht nur das Vertrauen in die, die bestehenden Systeme und Institutionen als Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft repräsentieren, sondern auch das Vertrauen in die institutionellen Systeme der Gesellschaft selber. Das bedeutet, wenn das Vertrauen in Top-Manager und Unternehmen sinkt, führt das automatisch auch zu einer institutionellen Krise – einer Systemkrise – führt. So kann sich die derzeitige Vertrauenskrise langfristig zu einer Legitimationskrise und Krise der Sozialen Marktwirtschaft auswachsen, wenn der Grundkonsens zu wesentlichen Pfeilern der Miteinanders verloren geht oder weder der Glauben der die Hoffnung noch das Vertrauen vorhanden ist, dass dies „konstruktiv“ neu erstritten wird.

Doch was ist Vertrauen eigentlich? Die Antwort auf diese Frage ist wesentlich komplexer als es erscheint und birgt auch Überraschendes. Ein Zugang zum Phänomen wäre, es von seinem Gegenteil her zu erklären. Auf die Frage, ob Misstrauen das Gegenteil von Vertrauen sei, verneint dies der Philosoph Martin Hartmann. Er versteht Misstrauen ist als eine engagierte Haltung. Wer misstraut, will noch etwas, der hat noch Interessen, der will noch etwas durchsetzen. In diesem Sinne kann Vertrauen sogar eine gesunde Portion Misstrauen einschließen. Das Gegenteil von Vertrauen ist eigentlich Gleichgültigkeit. Das Ende von Misstrauen und Vertrauen ist gekommen, wenn wir einander nichts mehr zu sagen haben, sagt Hartmann.

Folgt daher auf den Vertrauensverlust Gleichgültigkeit oder Misstrauen? Wer misstraut hat noch Vertrauen in sich und damit Handlungsalternativen, er vertraut darauf, Einfluss nehmen und mitgestalten zu können, sei es durch Kritik an die überkommenen Institutionen und/oder Hinwendung zu informellen Vertrauensnetzwerken.

Misstrauen ist immer noch besser als Gleichgültigkeit

Das heißt also, so lange noch Misstrauen und nicht Gleichgültigkeit herrschen, ist noch nicht alles verloren. Aber wie will managerfragen.org das Vertrauen der Bürger in die soziale Marktwirtschaft zurückgewinnen?

Als Verein bieten wir zwei zentrale Formate an, die sich gegenseitig in ihrer Funktion und Wirkung ergänzen: Zum einen ist dies der Online-Dialog über unsere Internet-Plattform www.managerfragen.org, bei der Bürger in eine Direkt-Kommunikation mit Managern treten können und ihre gesellschaftlichen Fragen an diese adressieren können. Bürger fragen, Manager antworten. Aber auch Manager haben die Gelegenheit, sich mit den Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern auseinanderzusetzen – fair, öffentlich und direkt. Fair heißt nach einer von uns definierten „Kultur des Dialogs“, so dass Shit Storms ausgeschlossen sind und Dialoge zwar durchaus kontrovers, aber immer konstruktiv sind. Öffentlich, da transparent im Internet für alle nachvollziehbar; direkt, da es keine Vermittler oder Moderatoren gibt, die Inhalte „filtern, werten, verzerren“, sondern der Bürger sich eine direkte Meinung bilden kann. Zum anderen bieten wir persönliche Präsenz- und Dialog-Formate bei denen wir Bürger und Manager in einen Austausch zu wichtigen gesellschaftlichen Herausforderungen zusammenbringen. Von Kleingruppen bis Veranstaltungen mit rund 100 Teilnehmern.

Welche Rolle spielt Social Media in diesem Prozess?

Social Media hat bei uns eine ganz zentrale Rolle. Die sozialen Medien sind gleichzeitig  Herzstück und Grundidee von managerfragen.org. Wir sind quasi eine Online-Partnervermittlung zwischen Bürgern und Managern: Die bringen wir zusammen, damit sie sich kennenlernen können und in einen ersten Dialog finden. So wollen wir dabei helfen, Brücken zu bauen und die entstandene Sprachlosigkeit zu überwinden.

Social Media ist daher bei uns sozusagen der Erstkontakt und Einstiegskanal in einen Dialog, den wir mit persönlichen Dialog- und Diskursformaten dann vertiefen. Zugleich spiegeln wir entstandene Inhalte aus den persönlichen Begegnungsformaten zurück auf unsere Online-Plattform und verbreiten die Inhalte über die Sozialen Medien.

Natürlich nutzen wir die sozialen Medien auch für’s Community Building sowie die Mobilisierung von Bürgern bzw. Bürgerfragen für unsere Online-Plattform. Wichtig sind sie auch für das Social Branding der Manager und für das Reputation Management der Unternehmen.

Dahinter steht somit die Vertrauensbildung als Kernanliegen von uns als Verein. Denn mediale Monologe und One-way-Kommunikation von PR- und Kommunikations-Abteilungen können das nicht leisten. Facebook-Seiten und Twitter-Accounts von Unternehmen und Managern sind zwar ein erster Schritt, sich der digitalen Welt zu öffnen, aber oft finden die keine Akzeptanz, werden nicht als glaubwürdig empfunden. Denn diese Accounts sind naturgemäß nicht unabhängig und verfolgen ja wirtschaftliche Interessen. Genau diese Unabhängigkeit ist aber zentrale Voraussetzung für die Bildung von Vertrauen.

Herausforderung für die Zukunft: Mehr Menschen mobilisieren

Wie bringt Ihr die Menschen dazu, an Eurem Angebot zu partizipieren?

Wir sprechen hier von Bürger- und Manager-Mobilisierung, da beide Zielgruppen von uns aktiv angesprochen werden. Wir arbeiten hier sehr stark über unsere Netzwerke und Social Media Kanäle. Zum einen, da wir als Verein nur begrenzt über Ressourcen verfügen, zum anderen, da auf diesem Wege auch die beste Skalierung möglich ist und auch die Affinität zum Thema und damit die Einstiegs-Barrieren am niedrigsten sind. Beide Seiten – Bürger wie Manager – müssen im öffentlichen Dialog viel lernen, da sie unbekanntes Terrain betreten. Die einen, sich persönlich (d.h. nicht anonym) kritisch, aber konstruktiv zu artikulieren, die anderen, sich mit dem damit verbundenen Kontrollverlust darauf einzulassen. Wir begleiten daher beide Seiten auch mit entsprechenden und Bildungsformaten, um sie sowohl bei dem notwendigen „Mindset-Shift“ als auch bei der erforderlichen Kompetenzentwicklung zu unterstützen. Unterdiesen Voraussetzungen können wir das Internet für einen offenen, transparenten und konstruktiven Dialog zu nutzen.

Ihr sagt selbst, dass vor allem eine Elite an Interessierten und Bildungsbürgern sich an managerfragen.org beteiligt. Aber wäre es nicht mindestens genauso wichtig, denjenigen Rede und Antwort zu stehen, die als „abgehängt“ klassifiziert werden?

Absolut. Als Verein binden wir zunächst die leichter erreichbaren Zielgruppen ein. Unser nächster Entwicklungsschritt muss aber in diese Richtung gehen, da gebe ich Dir recht. Auf der Basis des bisher erreichten und auf Grundlage unserer Erfahrungen sind wir aktuell dabei, verstärkt über Pressure Groups und die Einbindung von Randgruppen den Teilnehmerkreis zu erweitern und die Diskurse damit auch „kontroverser“ auszulegen. Es ist natürlich anspruchsvoll und aufwändig gerade auch die, die sich „ausgeschlossen“ fühlen und zum Teil schon abgewendet haben, für einen Dialog zurückzugewinnen. Entscheidend bleibt aber – und dies gilt in alle Richtungen – aus der jeweils „eigenen Blase“ herauszutreten.

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Manager sollen aus der Anonymität heraustreten. (Bild: © Clemens Brandstetter / managerfragen.org)

Welche Herausforderungen kommen in nächster Zeit auf Euch zu?

2018 und darüber hinaus sind weitere wichtige Entwicklungsschritte geplant. Wir planen den Website-Relaunch unseres Online-Dialog-Portals mit neuen Funktionalitäten und einer verbesserten Usability. Außerdem wollen wir auch inhaltlich Zusatz-Mehrwerte für die Kern-Zielgruppen Bürger und Manager schaffen. So wurde bereits mit der Pilotierung einer Manager-Datenbank begonnen, um Transparenz zu schaffen bzgl. der „Macher in der Wirtschaft“ bzw. Managern in Deutschland „ein Gesicht zu geben“ und sie aus der „Anonymität herauszuholen“.

Darüber hinaus ist in einem weiteren Schritt geplant, eine Gesellschaftsthemen-Datenbank als zentrale Anlaufstelle aufzubauen, bei der alle Top-Gesellschaftsthemen und aktuell verfügbaren Studien kostenlos zum Download verfügbar sind. Managerfagen.org soll damit zur Anlaufstelle Nr.1 für Gesellschaftsthemen und Hintergründe zu Personen im Top Management werden.

Als Basis unserer Veranstaltungsreihen wollen wir einen regelmäßig erscheinenden Verantwortungs- und Vertrauensatlas aufbauen und damit den jeweiligen Entwicklungs- und Diskussionstand des Gesellschaftsdiskurses in Deutschland aufzeigen.

Der Rückblick auf die zurückliegenden drei Jahre bzw. rund sechs Jahre seit Gründung von managerfragen. org e.V. zeigt, dass es sehr lange braucht, tradierte Muster in der Kommunikation seitens Wirtschaft und Gesellschaft wie auch der klassischen Medien als Mittler in Form von Vorwürfen, Polarisierung bis hin zu Skandalisierung aufzulösen, mehr Transparenz und einen neuen Gesellschaftsdiskurs zu ermöglichen sowie verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Insofern ist noch weiterer Weg in den nächsten Jahren zu gehen. Der selbst gesetzte Bildungsauftrag, Bürgern und Managern genau hierbei zu helfen ist deshalb umso wichtiger. Über Spenden und Förderungen, die uns dabei helfen, würden wir uns als Verein daher natürlich sehr freuen.

Clemens, ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg für Dein sehr notwendiges Projekt. Ich kann nur alle Leser dazu aufrufen, sich an managerfragen.org zu beteiligen – als Bürger, als Manager oder als Spender. Es ist wichtig, dass das Vertrauen in die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Institutionen wieder wächst. Ich unterstütze Euch dabei so gut ich kann!

Über Clemens Brandstetter

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Bild: © Clemens Brandstetter

Clemens Brandstetter, Jahrgang 1970, ist geschäftsführender Gesellschafter der macc GmbH, einer Beratungsgesellschaft für Organisations- und Unternehmensentwicklung. Dort begleitet er seit 2015 Unternehmen bei ihren Veränderungsvorhaben. Aus seiner Beratungs- und Berufstätigkeit entstanden mehrere Buchprojekte, u.a. „Vom Glück zu arbeiten“ (FAZ, 2010) und „E- Business im Vertrieb“ (Hanser, 2002). Auch zu den Themen E-Business, Social Media, New Work, Führung 2.0 sowie Public Leadership hat Clemens publiziert. Privat engagiert er sich ehrenamtlich für diverse Initiativen und ist Beirat des Social Impact Labs in Duisburg sowie Business Angel verschiedener Startups. Zugleich ist er selber Gründer und Vorsitzender Vorstand von managerfragen.org e.V., einer Initiative für Gesellschaftsdialog zwischen Bürgern und Managern (www.managerfragen.org). Er ist verheiratet und lebt in Düsseldorf.

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