Employer Branding ist nach wie vor ein Modewort in HR. Seit vielen Jahren scheint die Unternehmen die nackte Panik gepackt zu haben, nicht der Modewelle anzugehören und im Kampf um Wahrnehmung im Bewerbermarkt zu verlieren. Mit Employer Branding Strategien wollen sie sich als Marke positionieren, die sie als besonders guten Arbeitgeber ausweist. Stellenanzeigen lesen sich so, als wollten die Unternehmen sich bei ihren potenziellen Mitarbeitern bewerben. Oft ist an den Versprechungen nicht allzu viel dran. Manchmal wirken Branding-Kampagnen wie anbiedernde Prostitution ohne inhaltliche Substanz. Ich stelle heute meine Gedanken für nachhaltiges Employer Branding vor, zeige auf, wo die Tücken liegen, und wie Employer Branding erfolgreich gestaltet werden kann.
Mehr Schein und als Sein
„Employer Branding ist die identitätsbasierte, intern wie extern wirksame Entwicklung und Positionierung eines Unternehmens als glaubwürdiger und attraktiver Arbeitgeber“. Mit der DEBA Definition ist im Grunde alles gesagt. Es geht zuerst um interne Unternehmens- und Kulturentwicklung und dann um externe Positionierung. Dieser Eindruck verliert sich aus meiner Wahrnehmung zu häufig. Oft bleibt Employer Branding bei der Beauftragung einer Agentur, die eine coole Kampagne und eine Employer Value Proposition (EVP) entwickeln soll. Hier wird der letzte vor dem ersten Schritt gemacht, oder anders gesagt, das Geld für die Agentur können sich viele Unternehmen direkt sparen, denn die Wirkung verpufft mittelfristig. Man konzentriert sich auf Zielgruppen außerhalb der Unternehmen und stellt die Fragen: Wie werden wir zum Magneten für gesuchte Fachkräfte und Talente? Wie müssen wir unsere Arbeitgebermarke positionieren? Die Fragen sind gut, aber deutlich zu kurz gesprungen, wenn der Blick ausschließlich auf den externen Personalmarkt gerichtet wird.
Unsere Philosophie: Employees first – candidates second
Ich habe manchmal den Eindruck, dass es Unternehmen mit ihrem Employer Branding zwar darum geht, Mitarbeiter zu gewinnen, sie sich aber keine Gedanken darüber machen, wie sie diese im Unternehmen halten wollen bzw. wie sie in ein Unternehmen passen. In austauschbaren Stellenanzeigen oder sinngleichen Branding Videos versprechen sie Flexibilität, Freiraum, Offenheit, Unternehmertum, Gestaltungsspielraum oder weitere hochtrabende gewinnende Attribute. Die Realität sieht aber anders aus: tradierte Unternehmen mit Managementmethoden, Arbeitsplatzausstattungen und Organisationsstrukturen der letzten Jahrzehnte. Wenn die potenziellen Bewerber diesen Realitätsverlust nicht schon erkannt haben, bevor sie den Arbeitsvertrag unterschrieben haben, kommt spätestens nach ein paar Wochen im Unternehmen die Frustration. Denn dann wird deutlich, die Versprechungen in Sachen Employer Branding haben mit der Wirklichkeit nichts zu tun.
Gut entwickelte Täuschungskultur
In einigen Unternehmen hat sich diese “Täuschungskultur” derart weiterentwickelt, dass der Recruiting-Prozess im Sinne der angestrebten Marke optimiert wurde. Das ist zunächst ein positives Zeichen. Allerdings, wenn Events, Umgang und gar Räumlichkeiten hip und zielgruppengerecht poliert sind, die nüchterne Realität aber völlig anders aussieht, sind Frustration und Frühfluktuation vorprogrammiert. Zudem enthält diese Vorgehensweise eine destruktive Botschaft an die Mitarbeiter: “Wichtig sind die Neuen, nicht die, die da sind.”
Unternehmen mit weltbesten Service haben schon seit rund 10 Jahren erkannt, dass echte Sprünge in der Servicequalität nicht durch ausschließlichen Fokus auf die Kunden erreicht werden können. Eines der bekanntesten Beispiele ist Vineet Nayar, CEO von HCL Technologies, einem IT Unternehmen mit mehr 6 Mrd. Umsatz und 85.000 Mitarbeitern, Das Unternehmen hat zum Beispiel 2005 mit seiner radikalen neuen Philosophie “Employees First, Customer Second” (EFCS)”, die vom Fortune Magazine als “the World’s Most Modern Management Idea” bezeichnet wurde, zunächst Verblüffung und Ablehnung geerntet. Heute kennen wir den “Employees First Effect” und wissen, es war der Anfang einer geschäftlichen Aufwärtsspirale, die nicht nur den Umsatz pro Mitarbeiter deutlich erhöht, sondern HCLT auch zum attraktivsten Arbeitgeber gemacht hat. HCLT ruht sich nicht auf den Lorbeeren aus nicht, sondern hat mit “EFCS 2.0: Employee-Driven, Management-Embraced” eine nächste Entwicklungsstufe der Unternehmenskultur gestartet.
Employer Branding Experten müssen mehr tun
Zu oft fängt Employer Branding nicht von innen an und hört am Abteilungssilo meist schon wieder auf. Employer Branding Experten haben eine sehr gute Chance, starke Kulturtreiber für ihre Unternehmen zu werden und nicht nur einen singulären externen Prozess zu verantworten. Vernetzung mit allen Unternehmensfunktionen ist sowieso die Voraussetzung für eine ernstgemeinte EVP. Meine Meinung: damit bitte aktiv weiter agieren, Treiber für kulturelle Veränderung sein und nicht an Abteilungssilos enden. Kultur ist das, was am Ende dabei raus kommt, und nicht das, was man in Marketingbotschaften verspricht.
Sven Gabor Janzsky beschreibt die dringende Notwendigkeit in seinem aktuellen Buch „Recruiting Dilemma“ sehr treffend.
Der rasante Wandel in unserer Arbeitswelt in den nächsten zehn Jahren wird durch zwei große Trends geprägt: die Digitalisierung und die Demografie. Durch die Digitalisierung geht eine Vielzahl von Arbeitsplätzen an die Computer verloren. Dennoch gehen wir in eine Ära der Vollbeschäftigung. Die Prognosen sind dabei eindeutig. Der deutsche Arbeitsmarkt verliert in den kommenden zehn Jahren 6,5 Millionen Arbeitskräfte. Viele Babyboomer gehen in Rente. Nur die geburtenschwachen Jahrgänge rutschen nach. In der Summe ergibt das über die kommenden Jahre dauerhaft eine nicht zu füllende Lücke an fehlenden Arbeitskräften. Die optimistischen Studien sagen eine Lücke von 2 Millionen voraus. Die Pessimisten gehen von 5,2 Millionen aus. Wer sich als Unternehmen darauf nicht vorbereitet, für den droht eine echte Katastrophe. Die Kosten für die steigende Bewerberfluktuation durch unzureichende Passung von Marketing und Kultur in sich weiter flexibilisierenden Organisationen sind dann kaum mehr tragbar.
Employer Branding und Personalmarketing müssen zukünftig in Unternehmenskultur verankert sein
Employer Branding und Personalmarketing dürfen deshalb nicht abgekoppelt von der Führungsetage und anderen Abteilungen diskutiert werden. Auch sie müssen vernetzt im Unternehmen entwickelt werden. Geschäftsmodell, Marke, Kundenversprechen und Employer Branding bilden eine Einheit. Firmeninterne und -externe Elemente spielen zusammen und sorgen für ein positives und sympathisches Unternehmensimage, das aber nicht aus der Retorte stammt, sondern von Mitarbeitern und Führungsetage gelebt und kommuniziert wird.
Mit dem Employer Branding Canvas haben wir von den Innovation Evangelists – zusammen mit Edmund Komar und People Innovation Partners – diese Aspekte zusammengeführt und Methodiken für ein nachhaltiges Personalmarketing geschaffen. Unternehmen, die ihre Kulturen und internen Mitarbeiter entwickeln, haben die besten Chancen auch als starke, authentische Brands wahrgenommen zu werden.
Fazit: Employer Branding nachhaltig gestalten
Nachhaltiges Employer Branding …
- ist eingebettet in Geschäftsmodell, Marke, Kundenversprechen.
- hat Verankerung in der Unternehmensentwicklung.
- wird durch die Vorbildrolle des Top-Managements nach außen und innen unterstützt.
- hat den Rückhalt der Mitarbeiter.
- ist ehrlich, authentisch und transparent.
- verzichtet auf redaktionellen Hochglanz- und Werbe-Blabla.
Employer Branding ist somit das echte Spiegelbild einer starken, modernen und angreifbaren Unternehmenskultur.
Was bringen einem die tollsten Mitarbeiter, wenn sie nach kurzer Zeit frustriert das Unternehmen verlassen und womöglich noch für schlechte Publicity sorgen? Genau: nichts. Und genau deshalb sind beim Employer Branding die Nachhaltigkeit und die interne Unterstützung so wichtig. Umparken im Kopf – nicht nur im Marketing.
(Bild: © VRD – Fotolia.com)