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Plattformarbeit: Bertelsmann-Studie identifiziert Trends und Perspektiven

Ich beschäftige mich seit mehr als zehn Jahren mit Crowdworking und beobachte mit großem Interesse alle Entwicklungen (wie z.B. den Trend der Flash Organizations) rund um das Thema. Ich habe selbst in verschiedenen Projekten Crowdworker eingesetzt und biete offene Formate zu Crowdstorming an. Das Thema Plattformarbeit gewinnt seit Jahren immer mehr an Bedeutung: Die Zahl der Plattformen steigt ebenso wie die Plattformarbeiter und die Unternehmen, die Plattformarbeit nutzen. Zum Thema Plattformarbeit gab es bislang für Deutschland kaum gesicherte Fakten. Eine Studie, die die Bertelsmann Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut Kantar erstellt hat, ändert diesen Zustand nun. 700 Cloud- und Gigworker sowie neun Experten wurden für die Studie befragt. Ich habe als Experte als Partner der Bertelsmann Stiftung an der Studie teilgenommen und will Euch hier die wichtigsten Ergebnisse vorstellen.

Vorurteile rund um Plattformarbeit im Realitätscheck

Die Bertelsmann-Studie zur Plattformarbeit hat gängige Meinungen (teilweise muss man sagen: Vorurteile) in den Blick genommen und sie durch Befragungen der Betroffenen überprüft. Dabei kamen teils überraschende Ergebnisse zu Tage:

Vorurteil 1: „Clickworker sind überwiegend in einer prekären finanziellen Lage. Durch Plattformarbeit werden sie ausgebeutet.“

Das stimmt nicht. Die Studie zeigt, dass der Anteil derer, die über ein monatliches Netto-Einkommen von mindestens 3.000 Euro verfügen, unter den Plattformarbeitern mehr als doppelt so hoch ist wie in der Gesamtbevölkerung. Allerdings verfügen 25 Prozent der Plattformarbeiter auch über ein monatliches Netto-Einkommen unter 1.500 Euro. Die allermeisten Cloud- und Gigworker (99 Prozent) arbeiten für die Plattformen nur im Nebenerwerb.

Vorurteil 2: „Menschen entscheiden sich aus finanzieller Not für Plattformarbeit – und nicht, weil sie es wollen.“

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Falsch. Denn 59 Prozent der Plattformarbeiter sind damit „sehr“ oder „eher“ zufrieden; „unzufrieden“ sind nur acht Prozent. Als wichtigste Gründe, warum sie sich für Plattformarbeit entscheiden haben, nennen die Befragten: „Netter Nebenerwerb“, „inhaltliches Interesse“, „Spaß“ und „zeitliche Flexibilität“. „Geldnot“ ist dagegen kein Grund für Plattformarbeit.

Vorurteil 3: „Plattformarbeiter haben keine soziale Absicherung über die Plattform“

Stimmt. Denn Plattformarbeiter sind Selbstständige, die über die Plattform Aufträge annehmen können. Und Selbstständige sind nicht über die gesetzlichen Sozialversicherungen gegen Alter und Arbeitslosigkeit versichert. Die Plattform ist aber nicht der Arbeitgeber, sondern nur der Vermittler zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Deshalb müssen diese Parteien sich um Absicherung kümmern – die Plattformen können hier nur Tipps geben und das sollten sie auch. Diesen Kritikpunkt am Crowdworking halte ich deshalb für falsch, weil man in den Kategorien Arbeitnehmer und Arbeitgeber denkt, die hier aber nicht zutreffen.

Der typische Plattformarbeiter

Plattformarbeiter in Deutschland weisen folgende sozialstrukturelle Merkmale auf:

  • Durchschnittsalter 41 Jahre
  • höherer Bildungsstandard: Über 50 Prozent haben ein Hochschulstudium beendet
  • Mehrheitlich Nettoeinkommen über 3.000 Euro
  • Stadt- und Land-Bevölkerung: Kein nennenswerter Unterschied.
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Bild: © Kantar, Bertelsmann Stiftung

Darüber hinaus sind Plattformarbeiter der Digitalisierung gegenüber grundsätzlich positiv eingestellt und interessieren sich für neue Technologien. Ihre Arbeit gestalten sie am liebsten flexibel und frei. Und: sie arbeiten gerne. Durch ihr hohes Maß an Eigenverantwortung, Kundenorientierung und ihr gutes Zeitmanagement gewinnen sie Aufträge.

Was die Tätigkeiten angeht, identifiziert die Bertelsmann-Studie Vermietung und Lieferservice als die beiden häufigsten Tätigkeiten. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass Airbnb und Lieferando als die am meisten genutzten Plattformen angegeben wurden. Meine Meinung: Ich sehe Airbnb nicht als Gigworking-Plattform, da die Vermietung von Immobilien aus meiner Sicht keine Arbeit in diesem Sinne darstellt. Über Airbnb lässt sich durch vorhandenes Kapital (Immobilien) Geld verdienen, nicht durch Arbeit. Die Informationen über die häufigsten Tätigkeiten halte ich deshalb nicht für aussagekräftig.

Von Plattformarbeit können Unternehmer und Arbeiter profitieren

Plattformarbeit kann sowohl für die Unternehmen als auch für die Plattformarbeiter von großem Vorteil sein. Die Unternehmen können durch die Vergabe von Aufträgen über Plattformen auf Expertenwissen on-demand zurückgreifen. Wissen, dass sie beispielsweise nur für bestimmte Projekte benötigen, aber das nicht dauerhaft im Unternehmen vorhanden sein muss. Plattformarbeit kann also ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor sein.

Andererseits können hochspezialisierte Experten ihr Knowhow verschiedenen Unternehmen zur Verfügung stellen und dadurch einerseits Aufträge erhalten, für die sie natürlich bezahlt werden; andererseits aber auch selbstbestimmt und auf dem Gebiet, das sie am meisten interessiert, tätig sein. Wie sich ein Phänomen der Plattformarbeit entwickelt habe ich vor einiger Zeit in dem Trendbeitrag zu „Flash Organizations“ beleuchtet.

Gesellschaftliche Vorteile durch Plattformarbeit

Wichtige politische, wirtschaftliche und soziale Ziele lassen sich durch Plattformarbeit verwirklichen. Darunter z.B.:

  • Die Integration von am Arbeitsmarkt benachteiligten Menschen
  • Selbstbestimmtheit bei der Bewältigung von Aufgaben
  • zeitliche und örtliche Flexibilität
  • bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privat- bzw. Familienleben

Dies sind auch die meistgenannten Vorteile, die Plattformarbeiter in dieser Tätigkeit sehen.

Probleme lösen

Zwar sehen, wie gezeigt, die meisten Plattformanbieter diese relativ neue Form des Arbeitens grundsätzlich positiv. Dennoch gibt es einige Nachteile, die Politik und Wirtschaft lösen müssen. Als Nachteile wurden in der Befragung genannt:

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  • fehlende soziale Absicherung
  • häufig zusätzlicher unbezahlter Mehraufwand
  • Konkurrenzkampf durch die hohe Zahl an Plattformanbietern
  • Unklare Regelungen bei Streitigkeiten mit dem Auftraggeber, fehlender Schutz
  • unfaire bzw. unzureichende Entlohnung
  • ständige Verfügbarkeit

Diese Probleme existieren und ohne Frage und sie müssen gelöst werden. Geeignet wären zum Beispiel Mindeststandards und Mindesthonorare, die gezahlt werden müssen. Auch eine Abstufung je nach Qualifikation oder Expertenstatus wäre sinnvoll. Was die Streitigkeiten mit Auftraggebern z.B. betrifft: Hier sehe ich die Plattformbetreiber in der Pflicht. Für nachhaltiges Wirtschaften müssen sie für solche Fälle geeignete Regeln schaffen und die Einhaltung kontrollieren.

Valide Diskussionsgrundlage für die Zukunft der Arbeit

Der große Verdienst dieser Studie ist, dass sie ein wichtiges Thema auf die Agenda setzt und eine fundierte Diskussion anstößt. Die Quantität der Plattformarbeit nimmt zu, sie ist ein wichtiges Instrument, um Arbeit zu modernisieren und verschiedenen Bedürfnissen gerecht zu werden. Plattformarbeit zeigt aber auch, dass alte Kategorien und Logiken von Arbeitnehmern und Arbeitgebern nicht mehr zwingend funktionieren. Neue Regelungen müssen gefunden werden und dafür sind neue Herangehensweisen nötig. „Hybride Arbeitsformen“ als neue Kategorie wären ein denkbarer Ansatz, den es zu diskutieren gilt.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Plattformarbeit gemacht? Als Auftragnehmer oder als Auftraggeber? Ich freue mich über Ihre Anregungen und Kommentare!

Laden Sie sich hier die Studie der Bertelsmann-Stiftung kostenlos herunter: Bertelsmann-Studie zur Plattformarbeit

Quelle Titelbild: Mad Fish Digital – Unsplash.com

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