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Afrika auf Augenhöhe – unsere Learning Journey ins Silicon Savannah

Anfang dieses Jahres war ich in Nairobi, Kenia, auf der Silicon Savannah Learning Journey. Hans Stoisser (Lesen Sie hier das Interview mit Hans Stoisser) und Katrin Krobath hatten sie organisiert, um zu zeigen, wie ein Land, ja ein ganzer Kontinent, aufbricht in eine digitale Zukunft. Ein Land, von dem wir Wohlstandseuropäer so viel lernen können. Im Silicon Savannah habe ich Menschen getroffen, die ihre Zukunft selbst gestalten, motivierte und junge Unternehmer, die vor Ideen nur so sprudeln und Frauen, die das Land und den ganzen Kontinent voranbringen. Es ist an der Zeit, dass wir Europäer aufhören, Afrika und seine Staaten als hilfsbedürftig und unfähig zu betrachten und stattdessen den Afrikanern endlich auf Augenhöhe begegnen. Denn wir können viel von einer Region im Aufbruch lernen.

Bunt gemischt ins Silicon Savannah

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Teilnehmer und Gesprächspartner bei der Silicon Savannah Learning Journey. (Bild: © Hannes Swoboda)

Zusammen mit Technologie-Experten, Unternehmern, Entwicklungshelfern und Journalisten machte ich mich im Januar auf nach Nairobi ins Silicon Savannah. Wir alle wollten mehr erfahren über Afrika, über Kenia, über seine Wirtschaft, Innovationen und die Menschen, die sie vorantreiben. Wir wollten hinter die Kulissen der prosperierenden Business-Welt von Nairobi schauen. Unsere Gesprächspartner waren Universitätsprofessoren, Startup-Gründer, Erfinder und Slumbewohner. Natürlich haben wir nur einen kleinen Teil Nairobis kennengelernt und nicht Kenia, geschweige denn Ostafrika oder gar Afrika. Und dennoch: Wir konnten uns ein Bild von einem bunten und vielfältigen Afrika machen, das vor großen Herausforderungen steht – aber auch gewillt ist, diese zu meistern.

Zukunft nachhaltig gestalten

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Die Lebensbedingungen in den Slums sind unmenschlich – trotzdem lassen sich die Slumbewohner nicht unterkriegen. (Bild: © Hannes Swoboda)

Afrika, der schwarze Kontinent – dieses Bild ist schon lange passé. Ja, Afrika strotzt noch immer vor Problemen. Flüchtlingsströme reißen nicht ab, korrupte Regierungen wirtschaften Staaten herunter, Menschen leben in bitterster Armut. Gleichzeitig herrscht in vielen Teilen Afrikas Aufbruchstimmung, die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Statt die Hände in den Schoß zu legen und darauf zu warten, dass nun endlich die Regierung / der Westen / China etwas zum Besseren verändert, nehmen die Afrikaner ihr Schicksal selbst in die Hand. Durch innovative Erfindungen, Gründergeist, die Nutzung digitaler Infrastruktur und unglaubliche Kreativität gestalten sie ihre Zukunft und die ihres Landes. Wir trafen Slumbewohner, die durch unermüdliche Arbeit, Erfindergeist und Fleiß ihr eigenes Business aufgezogen haben. Statt zu resignieren arbeiten diese Menschen an einer besseren Zukunft für sich und ihre Familien. In der öffentlichen Gesundheitsversorgung, bei der mobilen Abwicklung des Zahlungsverkehrs oder in der Grundschulbildung ist der Standard in Kenia heute schon höher als in den USA.

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Die Stärkung der Frauen und ihrer gesellschaftlichen Rolle ist Voraussetzung für die wirtschaftliche Entwicklung. (Bild: © Hannes Swoboda)

Women Empowerment ist Schlüsselfaktor

Im Silicon Savannah haben wir in unseren Meetings auffallendviele, meist junge, Frauen getroffen, die mit klarer Perspektive ihr eigenes Leben und die Zukunft ihres Landes gestalten. Die Frauen zu unterstützen, ihre Rolle in der Gesellschaft zu stärken, bedeutet, Armut zu bekämpfen und Wohlstand zu mehren. Denn auch in Afrika sind mittlerweile viele junge Frauen sehr gut ausgebildet. Infolgedessen kommt es später zur Heirat und zur Geburt von Kindern – der Lebensstandard steigt. Gut ausgebildete und emanzipierte Frauen sind deshalb ein Schlüsselfaktor bei der wirtschaftlichen Entwicklung.

Digitale Revolution – aber kein Anschluss ans Stromnetz

70% der Bevölkerung in der Subsahara hat keinen Zugang zu Elektrizität. Auch ein funktionierendes Telefonnetz gibt es in weiten Teilen nicht.

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M-Pesa – eine afrikanische Erfolgsstory. (Bild: © Hannes Swoboda)

Aber auch in Afrika ist die digitale Revolution in vollem Gange. Mobiles Internet hat dem Erfinder- und Entdeckergeist auf dem Kontinent einen gehörigen Schub verpasst. Das Smart Phone ist in Afrika viel mehr als ein Kommunikationsinstrument: Mit M-Pesa können beispielsweise über das Smartphone bargeldlos Zahlungen und Geldeingänge abgewickelt werden. Wo die nächste Bank kilometerweit entfernt ist, ist das von enormer Bedeutung. Smart- und E-Learning Angebote bieten einen einfachen Zugang zu Bildung.

Das Smart Phone kann auch Licht machen, wenn im Haus keine Elektrizität verfügbar ist. Da so viele Haushalte nicht an das öffentliche Stromnetz angeschlossen sind, ist eine dezentrale Energieversorgung, wie wir in Deutschland sie wegen der Energiewende zu etablieren versuchen, dort längst der Standard.

Digitale Technologien ermöglichen es ärmeren Haushalten und Menschen in der Peripherie, am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilzuhaben, und eröffnen ihnen den Zugang zu den Märkten.

Kenia: Günstige Rahmenbedingungen

Dies ist in Kenia nur gelungen, weil die Politik, insbesondere Dr. Bitange Ndemo, günstige Rahmenbedingungen geschaffen hat. Als Staatssekretär sorgte er dafür, dass Kenia zur digitalen Gesellschaft wurde, indem er bei der Weltbank die Finanzierung für ein Glasfaserkabel sorgte, um so innerhalb Kenias die Grundlage für ein Energie- und Kommunikationsnetzwerk zu schaffen. Mit der digitalen Revolution schuf Bitange Ndemo die Grundlage für die soziale Revolution.

Afrika: Immer noch agrarisch geprägt

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80% der Afrikaner leben von Landwirtschaft. (Bild: © Hannes Swoboda)

Trotz digitaler und sozialer Revolution: Auch heute leben 80% der Afrikaner von Landwirtschaft. Das Paradoxe: Viele landwirtschaftliche Erzeugnisse werden importiert. Denn riesige Flächen, die landwirtschaftlich oder auch als Bauland nutzbar wären, liegen brach. Teilweise wären Investitionen für Bewässerungs- oder Entsalzungsanlagen notwendig. Diese würden sich jedoch um ein Vielfaches auszahlen. Landwirtschaftliche Arbeit könnte durch eine dezentrale Energieversorgung, beispielsweise durch die Nutzung von Solarenergie, weit effizienter werden. Hier liegt ein riesiges Potenzial zur Schaffung von Arbeitsplätzen, Produktionssteigerungen und der Verwirklichung von besseren Lebensumständen für eine große Zahl von Menschen.

Politik: Demokratische Entwicklungen lassen vereinzelt hoffen

Afrika ist schon ein gutes Stück Weg gegangen, aber es ist noch lange nicht am Ziel. Während die Menschen ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen, liegt in der Politik noch vieles im Argen. Häufig werden Staaten von Clans regiert, die schon seit Jahrzehnten an der Macht sind. Junge, aufstrebende Talente müssen die Möglichkeit bekommen, auch auf politischer Ebene mitzugestalten. Eigeninteressen dürfen nicht das politische Handeln bestimmen. Es muss darum gehen, das Land und den Kontinent insgesamt voranzubringen, Armut zu bekämpfen und Wohlstand zu mehren. Dazu muss vor allem die Korruption entschieden bekämpft werden. In Angola, Simbabwe und hoffentlich bald in Südafrika gibt es Wechsel an der Staatsspitze, die hoffen lassen.

Zur Halbzeit der Journey habe ich Hans Stoisser in einem kurzen Interview zu seinen Eindrücken befragt.

Wirtschaftspolitische Agenda

Neben den grundlegenden demokratischen Reformen ist auch in der Wirtschaftspolitik einiges zu tun. Das starke Bevölkerungswachstum bietet großes Potenzial, stellt die Länder aber auch vor Herausforderungen. Bildungsangebote und Arbeitsplätze sind notwendig: Bis 2035 wird die Arbeitskraft Afrikas die von China oder Indien übersteigen. Eine McKinsey-Studie identifizierte sechs Prioritäten für eine erfolgreiche Wachstumsstrategie in Afrika:

  • Mobilisierung von Ressourcen
  • Diversifizierung der Wirtschaft
  • Beschleunigung der infrastrukturellen Entwicklung
  • Vertiefung der regionalen Integration
  • Investitionen in Bildung und Ausbildung
  • nachhaltige und verträgliche Urbanisierung

Gemischtes Bild

Das Bild, das ich von meiner Reise ins Silicon Savannah mitnehme, ist gemischt: Es herrscht Aufbruchstimmung, die Menschen wollen eine bessere Zukunft gestalten. Aber es gibt immer noch viele Krisen, viel Armut, in vielen Ländern Afrikas herrscht Krieg und eine humanitäre Notsituation. Aber Afrika ist kein gescheiterter und verzweifelter Kontinent. Im Gegenteil: Die Probleme werden von vielen als Herausforderungen angenommen. Unternehmerischer Spirit trifft auf eine neue gut ausgebildete Generation, die ihr Potenzial nutzt. Trotzdem gibt es immer noch viele, die in ihren Heimatländern nicht die Möglichkeit haben, ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Deshalb machen sie sich auf nach Europa – Migrationsströme reißen nach wie vor nicht ab.

Wird Europa endlich ein Partner auf Augenhöhe?

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Bild: © Hannes Swoboda

Auf der Silicon Savannah Learning Journey sprachen wir natürlich auch über Rolle, die wir als Europäer in Afrika spielen und künftig spielen sollen. Der Tenor: Entwicklungshilfe als Konzept sollte abgeschafft werden. Vielmehr sollten wir Europäer Afrika auf Augenhöhe begegnen. Afrika ist kein Bittsteller, dem wir Bedingungen für Unterstützung diktieren können. Wir können von einer Zusammenarbeit genauso profitieren wie die Afrikaner. Moralische Belehrungen sind deshalb fehl am Platz. Natürlich kann Europa durch Erziehungs- und Aufklärungsangebote bestimmte Werte und demokratische Grundprinzipien verbreiten. Das ist aber ein Angebot, eine Aufklärungsmaßnahme und keine Voraussetzung für Zusammenarbeit. Wir müssen Afrika endlich als gleichwertige Geschäftspartner ansehen. Nur so können wir wirklich etwas zum Wirtschaftswachstum dort beitragen und jungen Afrikanern dabei helfen, ihre Ideen und Träume zu verwirklichen.

Eine ausführliche Version dieses Textes finden Sie auf dem Blog von Hannes Swoboda, der ebenfalls im Silicon Savannah war: http://hannes-swoboda.at/news/nairobi-silicon-savannah-africa-beginning-2018. Danke an Hannes für die Erlaubnis zur Weiterverarbeitung!

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