Mitte November 2018 war ich zusammen mit Hans Reitz (grameen creative lab) auf dem Global Social Business Summit in Wolfsburg in der VW Autostadt. Die Patenschaft von VW für den Summit ist während unserer Kienbaum Innovation Journey, die wir Anfang 2018 mit allen CxOs der zwölf VW Marken gemacht haben, entstanden. Auf dem Global Social Business Summit treffen sich rund 1000 globale Experten aus dem privatwirtschaftlichen Sektor, der Zivilgesellschaft, Forscher und Akademikerinnen sowie Regierungsvertreter, um die öffentliche Aufmerksamkeit für die Idee des Social Business zu stärken, Diskussionen anzustoßen, Best Practice Modelle vorzustellen, sich zu vernetzen und Kollaborationen voran zu treiben. In zahlreichen Foren und Workshops diskutieren die Social Business Vertreter drängende soziale und ökologische Fragestellungen und versuchen, Lösungen für diese Herausforderungen zu entwickeln. Der Kopf dahinter ist der Friedensnobelpreisträger und Begründer der Social-Business-Bewegung Mohammad Yunus.
Prinzipien des Social Business
Für seine Idee des Social Business erhielt Mohammed Yunus, Erfinder der Mikrokredite, 2006 den Friedensnobelpreis. Der Begriff Social Business heißt übersetzt nichts anderes als „Soziales Geschäftsmodell“. Das Prinzip von Social Business: Die Bekämpfung von Armut durch die Erwirtschaftung von Gewinnen aus unternehmerischer Tätigkeit. Die Gewinne sollen jedoch nicht maximiert werden – im Vordergrund stehen andere Ziele. Nämlich Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein, faire Entlohnung sowie Wachstum und Verbesserung des Unternehmens an sich. Gewinne werden deshalb immer wieder investiert, Investoren erhalten nur ihre eingesetzten Summen zurück, aber keine Dividende.
Ich bin 2009 mit Hans Reitz und dem grameen creative lab erstmals während meiner Zeit bei der Deutschen Telekom AG in Berührung gekommen. Wir hatten damals mit dem lab eine Social Business Initiative mit rund 40-50 Freiwilligen und der Patenschaft von Rene Obermann ins Leben gerufen. Mit unglaublichen Enthusiasmus und Leidenschaft gestartet, am Ende nach rund zwei Jahren aber leider in der Komplexität des Konzerns erstickt. Andere Konzerne wie BASF (unter dem ehemaligen CEO Jürgen Hambrecht) oder Danone mit dem CEO Emanuel Faber sind und waren Beispiele, wie Social Business besser umgesetzt werden kann.
Social Business vs. Entwicklungshilfe
Die Idee des Social Business grenzt sich von der Entwicklungshilfe, die leider oft nur nach dem Gießkannenprinzip Gelder verteilt, deutlich ab. Social Business-Modelle verwirklichen das Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“, indem sie zum Aufbau wirtschaftlicher Strukturen beitragen, die den Menschen auch mittel- bis langfristig ein Auskommen sichern. Ziel ist die Förderung von Entrepreneurship, von Unternehmertum, um die eigenen Chancen und Lebensumstände sowie die des Umfeldes deutlich zu verbessern. Dies macht Yunus auch in seinem neuesten Buch „A World of Three Zeros – The New Economics of Zero Poverty, Zero Unemployment and Zero Net Carbon Emission” deutlich, in dem er zum Nachdenken über einen neuen Kapitalismus anregt. Statt schlecht bezahlten Jobs in Großunternehmen hinterherzulaufen sollten junge Menschen sich ihre eigenen Arbeitsplätze schaffen. So verschaffen sie sich Unabhängigkeit und ein sicheres Einkommen zu menschenwürdigen Konditionen.
Themen auf dem Global Social Business Summit 2018
Vor diesem Hintergrund war das Themenspektrum auch 2018 wieder breit gefächert: Schwerpunkte waren das Problem der Plastikverschmutzung, nachhaltige Mobilität, globale Solidarität, Sport und der Wert der Nahrung.
Vom Plastikmüll zur Kreislaufwirtschaft
Das Thema der Plastikverschmutzung ist so dringend wie nie zuvor und derzeit heiß in den Medien. Bilder von Plastikstrudeln in den Ozeanen und verendete Tiere haben viele Menschen wachgerüttelt. Auch die EU will das Problem notfalls mit Verboten angehen. Nichtsdestotrotz: Wir brauchen Alternativen zum Plastik. Das geht nur mit einem Systemwechsel in der Wirtschaft hin zu einer echten Kreislaufwirtschaft. Es gibt bereits zahlreiche Social Businesses, die das Recycling von Plastik und Müll-Management zu ihren Geschäftsmodellen gemacht haben. Ihre Ansätze haben sie auf dem Global Social Business Summit vorgestellt und so eine fruchtbare Diskussionsgrundlage geliefert. Wie z.B. Precious Plastic, das online Wissen und Werkzeuge zum Recycling und zur Wiederverwendung von Plastik zur Verfügung stellt um das Problem nachhaltig anzugehen.
Nachhaltige und zukunftsfähige Mobilität
Heutige Verkehrssysteme kommen zunehmend an ihre Grenzen. Vor allem der Individualverkehr mit dem eigenen Auto ist besonders in den Städten ein überholtes Modell. Staus, Umweltverschmutzung und Gesundheitsgefahren durch Schadstoffe sind die Probleme, vor denen alle Länder und Kommunen weltweit im Zuge des steigenden Verkehrsaufkommens stehen. Innovationen wie automatisiertes Fahren sind zusätzliche Herausforderungen, mit denen sich Unternehmen, Stadt- und Verkehrsplaner sowie Verkehrsteilnehmer auseinandersetzen müssen. Für die Zukunft brauchen wir ein integriertes Verkehrs- und Transportsystem für Personen und Güter, das nachhaltig, schnell und umweltfreundlich ist.
Globale Solidarität
Solidarität und Menschlichkeit sind Kernelemente des Social Business. Doch wie lässt sich eine globale Solidaritätskultur auch tatsächlich umsetzen? Wenn Migration als „Die Mutter aller Probleme“ (Horst Seehofer) bezeichnet wird, die Erderwärmung zur Verödung von Landstrichen und zu Umweltkatastrophen wie Überschwemmungen führt und Kriege Menschen ihrer Heimat berauben, dann brauchen wir genau das: Eine globale Kultur, in der die Menschlichkeit jedes Einzelnen zählt und wir einander mit Empathie begegnen.
Mit Hilfe von Social Business können wir diese Solidarität fördern, indem wir beispielsweise Klima- und Kriegsflüchtlinge durch Unternehmertum unterstützen und so dazu beitragen, dass sie eine Perspektive für sich und ihre Familien entwickeln können.
Sozialer Sport
Sport spricht zutiefst menschliche Bedürfnisse an: Sich in Teams zusammenzuschließen und in einen friedlichen Wettbewerb zu treten. Sport fördert Gemeinschaften und die Entwicklung von Solidarität und Gemeinsinn. Die Welt des Sports kann deshalb die Idee des Social Business befördern und befruchten. Mit dem Yunus Sports hub wurde auf dem Summit die Kooperation mit dem IOC bekannt gegeben, in der in den nächsten 5 Jahren bis zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris alle ehemaligen und aktiven Olympioniken Ausbildung und Training für Social Entrepreneurship erhalten. Als ehemaliger Leistungssportler glaube ich an die Kraft und den Purpose des Sports für eine bessere Gesellschaft und nachhaltiges Unternehmertum. Ich finde eine es eine großartige Initiative an der ich mich selbst beteiligen will.
Unsere Nahrung und ihr Wert
Sowohl die Industriestaaten als auch Entwicklungsländer stehen im Hinblick auf Ernährung vor großen Herausforderungen. Während die Industriestaaten vor allem mit Problemen wie Übergewicht oder Schadstoffbelastungen der Nahrungsmittel zu kämpfen haben, geht es in anderen Weltregionen darum, Hunger sowie Unter- und Mangelernährung zu bekämpfen. Die Lösung für beide Probleme könnte jedoch die Gleiche sein: Eine Abkehr von der industriellen Landwirtschaft, wie sie nun über Jahrzehnte gefördert wurde, und die Entwicklung einer nachhaltigeren und ökologischeren Form der Nahrungsmittelerzeugung.
Nahrung ist die Grundlage unserer Existenz. Sie sollte dafür sorgen, dass es Menschen gut geht und kein Gesundheitsrisiko darstellen oder durch Ausbeutung in der Nahrungsmittelproduktion gesellschaftliche Probleme verursachen. Deshalb auf dem Global Social Business Summit Geschäftsmodelle vorgestellt, die bei der Nahrungsmittelproduktion Natur und Umwelt respektieren und zur Lösung sozialer und menschlicher Probleme beitragen.
Social Business: Soziale Verantwortung übernehmen
Für mich war Global Social Business Summit eine der wichtigsten Veranstaltungen des Jahres. Ich habe viele Impulse gewonnen, wie wir unsere Welt gerechter, solidarischer und nachhaltiger gestalten können. Ebenso beeindruckt bin ich, wie sich VW des Themas annimmt. Nicht nur durch die Patenschaft für den Summit und die aktive Beteiligung einiger Vorstände während des Summit, sondern auch mit einem zukünftigen Commitment, Social Business noch viel, viel stärker zu treiben und in der Unternehmenskultur verankern zu wollen. Mein Wunsch für die Zukunft: Dass die Ideen des Social Business viel stärker in den Mainstream des wirtschaftlichen Denkens, sowohl bei den Unternehmern als auch in der Politik und bei jedem Einzelnen von uns Eingang finden. Dann können wir durch Entrepreneurship die Welt zu einer besseren für alle Menschen – und nicht nur für eine kleine Elite – machen.
Quelle Titelbild: © 2018 GRAMEEN CREATIVE LAB | ADM