Im Gegensatz zu disruptiven Innovationen zielen Frugal Innovations nicht darauf ab, ganze Märkte zu revolutionieren. Frugal Innovations wollen stattdessen Produkte für breite Käuferschichten mit nur geringen Ressourcen zugänglich zu machen. Deshalb sind sie vor allem in den „emerging markets“ gefragt. Die Anforderungen an Produkte sind dort ganz anders als in den reichen Ländern des Westens. Aber auch in Westeuropa und den USA sind Frugal Innovations immer gefragter. Ich gehe in meinem heutigen Post darauf ein, was Frugal Innovations ausmacht und wieso sie auch hierzulande breite Käuferschichten erreichen.
Rasanter Wandel auf den Weltmärkten und disruptive Innovationen
Wir Menschen sind eine Spezies, die Veränderungen eher ablehnend gegenüber steht. Das scheint so in unseren Genen zu liegen. Andererseits langweilen wir uns auch schnell, wenn alles immer gleich bleibt. Und nicht nur die Menschen langweilen sich, auch die Märkte: Denn Märkte und Konsumenten wollen immer Neues. Der Wandel der Märkte wird immer rasanter; und Unternehmen müssen Schritt halten. In meinen letzten Posts habe ich Euch bereits einiges über das Thema Innovationen und wie man die Innovationskraft in Unternehmen fördern kann, berichtet: Sei es, dass etablierte Unternehmen durch die Kooperation mit StartUps frischen Wind in ihre Büros und ihre Köpfe bringen oder sei es, dass Freak Companies quer und um die Ecke denken.
Dabei ging es vor allem um tiefgreifenden Wandel und disruptive Innovationen. Disruptive Innovationen, wie etwa das iPhone oder Googles selbstfahrendes Auto sind aber tatsächlich nur für ein bis fünf Prozent der weltweiten Konsumenten relevant. Solche Highend-Produkte können sich eben nur die reichen Bevölkerungen in den westlichen Industriestatten leisten. Und auch von diesen reichen Bevölkerungen ist es nur ein Bruchteil, der gleich zu Beginn auf innovative Produkte abfährt.
Emerging Markets fordern andere Produkte
Globale Unternehmen sind immer mehr darauf angewiesen, dass ihre Produkte auch in den Entwicklungs- und Schwellenländern abgesetzt werden können. Deren Produkte müssen in diesen Märkten andere Anforderungen erfüllen. Sie müssen nicht (nur) schick und neu sein und eine glänzende Oberfläche besitzen. Sie müssen
- erschwinglich für breite Bevölkerungsschichten sein.
- einfach bedienbar sein.
- drängende Probleme lösen.
- mit geringen Ressourcen auskommen – sowohl in der Produktion als auch in der Nutzung.
- robust sein.
Und hier setzt Frugal Innovation an.
Ein tragbares und batteriebetriebenes EKG
Das Wort „frugal“ leitet sich vom lateinischen „frugalis“ ab, was so viel heißt wie „einfach, sparsam, nutzbar“. Yasser Bhati, der sich in seiner Doktorarbeit mit dem Thema beschäftigt hat, definiert Frugal Innovations als „erschwingliche, hochwertige und nachhaltige Lösungen für lokale Probleme von globaler Bedeutung, oft in komplexen Umwelten, wo Ressourcen nicht zugänglich oder schwer unter Kontrolle zu bringen sind.“
Der Begriff „Frugal Innovations“ tauchte wohl erstmals 2010 im Economist auf. In dem Artikel ging es um ein portables und batteriebetriebenes EKG der Firma General Electrics, das zudem wesentlich einfacher zu bedienen war als bisherige EKGs. Die Kosten im Vergleich zu herkömmlichen Geräten reduzierten sich 60 Prozent, von 800 auf 2000 US-Dollar. Mit diesem Basic-EKG konnte einem drängenden Gesundheitsproblem in Indien entgegengewirkt werden: Mehr als fünf Millionen Inder sterben jährlich an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Mehr als ein Viertel von ihnen ist jünger als 65 Jahre.
Mittlerweile bietet GE MACi in einer etwas aufgewerteten Version auch auf dem US-Markt an.
Frugal Innovations: Billig allein reicht nicht
In den Schwellenländern sind die Einkommen niedrig, große Bevölkerungsteile sind von Armut betroffen. Frugal Innovations zielen darauf ab, spezifische Probleme in diesen Ländern zu geringen Kosten zu lösen. Der niedrige Preis wird kompensiert durch die hohen Absatzzahlen, die das Produkt erreicht. Trotzdem dürfen Frugal Innovations nicht nur auf die Billigschiene setzen. Das geht zu Lasten des Vertrauens in das Produkt. Auch bei Frugal Innovations muss ein Markenversprechen für hohe Qualität einstehen. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass das „billigste Auto der Welt“ Tata Nano bisher floppt.
ChotuKool: Kühlen mit wenig Platz und wenig Strom
Ein Beispiel für eine erfolgreiche Frugal Innovation ist der
batteriebetriebene Kühlschrank chotuKool. Die Anforderung an das Gerät war, dass es mit schwankenden Strommengen zurecht kommt. Außerdem haben die Menschen in Indien, für das der Kühlschrank entwickelt wurde, viel weniger Platz als wir im Westen: Möbel werden abends oft verrückt, um Platz zum Schlafen zu schaffen. Deshalb muss auch ein Kühlschrank klein und handlich sein. Funktionen wie Einfrieren sind dagegen unnötig. Der Kühlschrank chotuKool erfüllt all diese Anforderungen: Bei Stromausfällen kann er auch mit einer Batterie die Lebensmittel kühlen; er ist klein und leicht und kann deshalb immer wieder seinen Platz wechseln. Das Produkt wurde im Dialog mit potenziellen Käufern entwickelt. So ist gewährleistet, dass er die wichtigsten Anforderungen erfüllt. Das ist auch nötig, denn weil Frugal Innovations eben nur wenig Kosten dürfen, müssen sie sich gut verkaufen. Nur so können Firmen Gewinn mit ihnen machen.
Ziel bei „Frugal Innovations“ ist es nicht, Luxusprodukte zu entwickeln, sondern adäquate Lösungen für Probleme, die eben „gut genug“ sind – ohne irgendwelchen Schnick-Schnack, den Produkte im Westen oft haben.
Werteveränderungen wecken auch im Westen das Interesse für Frugal Innovations
Aber die Absatzmärkte für Frugal Innovations liegen nicht nur in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Auch hier im Westen steigt das Interesse an Produkten, die
- funktional,
- haltbar,
- zeitlos im Design und
- nachhaltig sind.
Käuferschichten, die auf bewussten Konsum setzen, der keine oder zumindest weniger Probleme für Mensch und Umwelt auslöst, wachsen. Auch hierzulande steigt das Bewusstsein dafür, dass unsere Ressourcen begrenzt sind. Und die Überflutung mit Produkten führt bei vielen zu einer Gegenreaktion: Die Besinnung auf das Wesentliche, die Reduzierung von Produkten und Geräten, die viele Menschen anstreben, sind Trends, die sich nicht ignorieren lassen. Es wird sich lohnen, dieses spannende Thema weiter im Auge zu behalten: Nicht nur, weil die Entwicklungs- und Schwellenländer immer wichtiger für den Produktabsatz von Unternehmen werden. Sondern auch, weil Werteveränderungen in den westlichen Gesellschaften ein Downsizing einleiten, das das Interesse für Frugal Innovations anwachsen lässt.
Hinweis: Wer sich noch tiefgreifender über das Thema Frugal Innovations informieren will, kann sich hier das Working Paper von Cornelius Herstatt und Rajnish Tiwari (Technische Universität Hamburg-Harburg) herunterladen.