Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit dem Thema Diversity Management und bin tief überzeugt von der Notwendigkeit. Um eine fundamentale Kultur für Diversity in Unternehmen umzusetzen, habe ich schon gegen viele Windmühlen, Vorurteile, Betonköpfe oder Chauvinisten gekämpft und tue es nach wie vor. Dabei ist erwiesen, dass Teams, die sich durch Alter, Herkunft und Geschlecht unterscheiden, bessere Ergebnisse erzielen als homogene. Nur die Machtapparate der alten (weißen) Männer um ein paar junge Frauen zu ergänzen, reicht dann aber doch nicht. Der Diversity Faultline Ansatz liefert neue Ergebnisse, wie gemischte Teams tatsächlich eine Bereicherung für jeden Einzelnen und das gesamte Unternehmen werden.
Die Gruppe in der Gruppe
Lassen Sie uns mit einem kleinen Gedankenspiel starten. Was würde wohl passieren, in einem Team, das aus drei älteren weißen Männern und vier jungen schwarzen Frauen besteht? Genau: Es bilden sich Subgruppen. Die jungen Frauen (die auch nicht mal schwarz sein müssen) und die alten Männer (weiß oder nicht ist auch egal) werden sich zusammentun. Sie gehen gemeinsam Mittagessen, Kaffeetrinken, besprechen Probleme, fragen um Rat. Der Austausch zwischen den beiden Subgruppen wird immer weniger und schließlich treten erste Konflikte auf. Die eigene Subgruppe wird zur „Ingroup“, die anderen werden als „der Feind“ wahrgenommen. Ihre Vorschläge und Ideen werden überaus kritisch betrachtet, Vorurteile machen sich breit.
„Wir“ gegen „die“
Heterogene Teams bewirken in diesem Fall genau das Gegenteil des eigentlichen Ziels: Die Produktivität sinkt, weil
- der Teamzusammenhalt schlechter ist,
- der Informationsfluss stockt,
- sich Abstimmungsprozesse verlängern,
- Missverständnisse entstehen,
- Konflikte hochkochen.
Noch dazu laden starke Subgruppen anscheinend zum „Sozialen Faulenzen“ ein: Erfolge werden schließlich dem gesamten Team, also auch den ungeliebten „Anderen“ zugeschrieben. Und eine Subgruppe bietet Sicherheit, hinter der man sich verstecken kann.
Wie entsteht eine Diversity Faultline?
Um das Problem der Subgruppenbildung zu vermeiden, forschen Wirtschafts- Arbeits- und Organisationspsychologen seit einiger Zeit am Diversity Faultline Ansatz. Faultline heißt Bruchlinie: Der Ansatz beschäftigt sich also mit Sollbruchstellen in Teams, wie sie im Beispiel oben beschrieben wurden. Die Frauen gegen die Männer, die Türkischstämmigen gegen die Deutschen, die Alten gegen die Jungen usw. – das passiert, wenn Teams unüberlegt zusammengestellt werden, wie u.a. die Studien von Carsten C. Schermuly, Franziska Schölmerich, Bertolt Meyer und Simone Kauffeld zeigten.
Heterogene Teams zusammenzustellen ist keine leichte Aufgabe. Denn Teams sind komplexe soziale Systeme und keine zufällige Anordnung von Merkmalen. Damit die Diversity Faultline möglichst schwach bleibt, sollten möglichst viele Merkmale sich möglichst gut verteilen. Beachtet werden sollten deshalb
- Alter
- Geschlecht
- Herkunft
- Religion
- professioneller Hintergrund
Ein Beispiel: In einem Autokonzern besteht ein Team aus Juristinnen und Ingenieuren, die gemeinsam rechtliche und technische Fragen bearbeiten sollen. Dabei sind die beiden Juristinnen weiblich und Mitte 30, die drei Ingenieure sind männlich und zwischen 45 und 55 Jahre alt. Hier ist die Diversity Faultline stark: Wahrscheinlich werden sich zwei Subgruppen aus älteren männlichen Ingenieuren und jüngeren weiblichen Juristinnen bilden. Wenn dagegen ein männlicher, ein weiblicher Jurist, von denen 32, einer 45 ist mit zwei männlichen Ingenieuren und einer Ingenieurin zusammenarbeitet, die zwischen 30 und 50 Jahre alt sind, dann ist die Faultline schwach: Denn die Merkmale Profession, Geschlecht und Alter verteilen sich über die Gruppenmitglieder und die Gefahr der Subgruppenbildung sinkt rapide ab.
Diversity Faultline schwächen
Wie Forscher zeigen konnten, kann die Diversity Faultline auch durch einen transformationalen Führungsstil und starke Diversitätsüberzeugungen abgeschwächt werden.
Führungskräfte, die in der Lage sind, ihre Mitarbeiter mit neuen Ideen und einer attraktiven Zukunftsvision zu motivieren, können starke Bruchlinien in Teams abschwächen. Wie Florian Kunze und Heike Bruch von der Universität St. Gallen herausfanden, wirkt sich so ein übergeordnetes, gemeinsames Ziel positiv auf den Teamzusammenhalt aus. Entscheidend ist auch, dass die Führungskraft jeden Mitarbeiter individuell berücksichtigt und selbst ein Vorbild darstellt. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch Astrid Homann von der Universität Amsterdam und Lindred Leura Greer aus Stanford.
Durch die Beobachtung von je 40-45 Teams mit jeweils zwischen 217-272 Mitgliedern in drei Studien verschiedener Unternehmen und des Auswärtigen Amtes zeigten Meyer, Schermuly und Kauffeld, dass eine starke Diversitätsüberzeugung ebenfalls zum Funktionieren von heterogenen Teams beiträgt. Wenn sowohl Mitglieder als auch Führungskräfte davon überzeugt sind, dass Diversity als Konzept funktioniert und einen wichtigen Beitrag zum Vorankommen von Team und Unternehmen leistet, dann kam es seltener zur Subgruppenbildung und zum Sozialen Faulenzen. Auch eine hohe Sozialkompetenz der Beteiligten fördert Teamzusammenhalt und Performance.
Heterogene Teams richtig führen
Zusammengefasst für die Praxis kristallisieren sich vier Maßnahmen heraus, damit heterogene Teams funktionieren:
- Betonen Sie Gemeinsamkeiten, überbrücken Sie Unterschiede, z.B. indem Sie ein gemeinsames Ziel formulieren und immer wieder ins Gedächtnis der Team Members rufen.
- Wählen Sie vor allem überzeugte Mitarbeiter aus, denn die Diversitätsüberzeugung spielt eine wichtige Rolle für das Funktionieren des Teams. Wer sich auf Diversity als Core Belief nicht einlässt, der hat in so einem Team (oder Unternehmen) eben nichts zu suchen.
- Fördern Sie positive Erfahrungen, indem Sie gemischte Teams bilden und für deren Erfolg sorgen. Kommunizieren Sie bewusst dazu, heben Sie die Menschen und deren Erlebnisse sowie Erfolge für das Unternehmen hervor. Geben Sie Ihren Mitarbeitern die Bühne dafür.
- Gehen Sie selbst mit gutem Beispiel voran, reflektieren Sie Ihre eigenen Diversitätsüberzeugungen. Das kontinuierliche Feedback und der offene, transparente Dialog mit Ihren KollegenInnen und MitarbeiterInnen bringt Sie weiter. Nutzen Sie kleine Reflektionsmethoden und begleiten Sie Feedback gerne auch technisch z.B. mit einer Instant Feedback App.
Potenziale gemischter Teams ausschöpfen
Wer die Stolpersteine der Diversity Faultline kennt und weiß mit ihnen umzugehen, der kann alle Chancen und Potenziale von gemischten Teams ausschöpfen. Denn verschiedene Perspektiven, Hintergründe und Expertisebereiche liefern mehr Lösungsvorschläge für Probleme. Unterschiedliche Denkweisen, Erfahrungen und Problemlösungsansätze sorgen für kreativere Ideen, machen Lösungsansätze handfester, da sie sich im Vorfeld mit verschiedenen Argumenten auseinandersetzen müssen. Die Chance voneinander zu lernen steigt, Diskussionen werden lebhafter und ausgewogener.
Nutzen wir die Chancen, die die Vielfalt der Menschen uns bietet. Für ein humanzentrierteres Arbeiten, für ein erfolgreicheres Wirtschaften und eine besser Gesellschaft. Denn diese Kultur strahlt auf viel mehr ab als nur Teams in Unternehmen.
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