Die Zukunft von Unternehmen ist klimaneutral – mindestens – oder sie werden vom Markt verschwinden. Das ist klar und mittlerweile hoffentlich bei jedem Unternehmensverantwortlichen angekommen. Es gibt Unternehmen, die schon sehr früh verstanden haben, dass Wirtschaft und Natur keine gegensätzlichen Systeme sind, sondern nur integriert im Miteinander und nicht gegeneinander arbeiten sollten. Zu den Pionieren des enkelfähigen Wirtschaftens und das seit 1974 gehört die GLS Bank. Mit beispielhafter Haltung und Konsequenz zeigt die Bank, wie nachhaltiges Handeln geht und wieviel Freude es macht, die Welt positiv zu gestalten. Für mich veröffentlicht die GLS Bank einen der interessantesten Nachhaltigkeitsberichte. Grund genug bei den Machern einmal nachzufragen, wie man einerseits eine gute Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt und andererseits wirkungsvoll kommuniziert. Ich konnte Jan Köpper von der GLS Bank und Marcus Weniger von HQ Interaktive Mediensysteme GmbH für einen spannenden Dialog gewinnen. Das Interview mit den beiden lesen Sie hier.
Interview zum Thema „Nachhaltigkeitskommunikation“
Lieber Marcus und Jan, bitte stellt Euch doch in kurzen Worten den Leser:innen einmal vor.
Jan: Mein Name ist Jan Köpper, 36 Jahre alt, geschieden, mit zwei Töchter im Alter von 10 & 13 Jahren. Ich darf seit jeher mein Berufsleben im Feld der Nachhaltigkeit und Sustainable Finance verbringen. Die Themen treiben mich jeden Tag an und ich bin sehr glücklich über meine Berufswahl.
Marcus: Ich bin Marcus Weniger, Vater von vier Kindern und quasi intrinsisch stark daran interessiert, dass wir enkelfähig werden und nachhaltiger Wirtschaften.
Jan, gib uns doch einen kurzen Einblick, was macht ein Head of Transparency & Sustainability genau?
Jan: Ich darf als Leiter der Stabsstelle Wirkungstransparenz & Nachhaltigkeit in der GLS Bank mit einem Team von 12 Vollzeitäquivalenten zum Beispiel unsere gesellschaftliche Wirkung greifbar machen und habe dazu eine besondere Methode und IT-Systeme entwickelt. Aber auch das betriebliche Nachhaltigkeitsmanagement, die Nachhaltigkeitsberichterstattung, die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in Bankprozesse oder die Entwicklung innovativer Mess- & Bewertungsverfahren zu zahlreichen sozial-ökologischen Themen fallen in meinen Aufgabenbereich. Ein bunter Blumenstrauß also den ich mit vielen tollen Menschen bewegen darf.
Jan, bitte erkläre uns kurz, wie Ihr den Strategieprozess zur GLS Nachhaltigkeit gestaltet.
Jan: Ausgangspunkt unserer Arbeit ist das GLS Leitbild und dessen Übersetzung in unsere Anlage- und Finanzierungsgrundsätze. Letztere werden regelmäßig überarbeitet, um aktuellen Entwicklungen gerecht zu werden und uns dauerhaft weiterzuentwickeln. Seit Gründung der Stabsstelle Wirkungstransparenz & Nachhaltigkeit sind wir hier noch einen deutlichen Schritt weitergegangen. Wir haben zunächst eine integrierte Geschäfts-, Risiko- & Nachhaltigkeitsstrategie aufgesetzt. Darauf aufbauend wurde ein Steuerungskreis Nachhaltigkeit ins Leben gerufen, der abteilungsübergreifend arbeitet und gemeinsam strategische und operative Nachhaltigkeitsziele definiert. Die Umsetzung gestalten wir dann gemeinschaftlich im gesamten Haus. Zudem arbeiten wir zur Weiterentwicklung unserer Wirkungstransparenz mit verschiedenen Bereichen zusammen und schauen immer wieder, wo wir gesellschaftlich noch stärker in Wirkung kommen wollen und müssen und vor allem wie wir unseren Kund*innen helfen können ihre Wirkung zu steigern. Ich könnte noch einiges mehr aufzählen, es ist viel Bewegung in unserer Gemeinschaft, aber insgesamt haben wir nun einen kennzahlenbasierten Managementansatz, den wir um qualitative Kriterien ergänzen und dauerhaft weiterentwickeln. Das mach richtig Spaß.
Marcus, ab wann seid Ihr von HQ und greenzero in den Nachhaltigkeitsprozess eingetaucht?
Marcus: Nachdem wir Dein Buch, den „Future Business Kompass“ gelesen hatten. Und das ist kein Werbe-Gag. Uns wurde schnell klar, dass wir mit dem Geschäftsmodell von HQ, maßgeschneiderte digitale Lernerlebnisse, einen wirksamen Hebel für eine größere Transformation in der Hand haben: Bildung. Mit Jan gab es dann erste gemeinsame Überlegungen in Richtung einer interaktiven Wissensplattform. Konkrete Projekte wie das Nachhaltigkeits-Dashboard und der interaktive Nachhaltigkeitsbericht der GLS Bank folgten. Diese Aktivitäten der NH Berichterstattung von Unternehmen wollten wir weiter ausbauen und dann hat ein weiteres Buch, das „Projekt Green Zero“, und der Kontakt zum Autor Dirk Gratzel, einen für uns entscheidenden Ausschlag gegeben. Mit seiner Plattform, der greenzero.me Experience hatte er mit einem Team von Wissenschaftlern begonnen, die Erfassung einer Lebensökobilanz toolbasiert zu entwickeln. Mit den Ideen, diese Erfassung mit Lernerlebnissen und einer professionellen User Experience zu erweitern, fanden wir schnell zusammen. Heute ist HQ Teil des greenzero movements und wir bieten eine ganzheitliche Begleitung von Unternehmen in einer nachhaltigen Transformation z.B. mit Lebensökobilanzen von Produkten, Unternehmen und ganzen Städten bis hin zur Kompensation in echte Umweltneutralität.
Marcus, erläutere uns doch kurz, wie die Entstehung für die Kommunikationsarchitektur war.
Marcus: Die oben genannten Nachhaltigkeits-Projekte werden von der Vision getragen, das Werte- und Wissensgerüst der GLS Bank sichtbar(er) zu machen. In mehreren Workshops haben wir zu Beginn Themenfelder, Inhalte, Stakeholder, Ziele und Rahmenbedingungen ermittelt und die ersten beiden gemeinsamen Projekte abgeleitet. Die besondere Herausforderung war jeweils die inhaltliche Komplexität, die wir ganz im Sinne des Transparenz-Gedankens, erfassen und darstellen wollen. Typisch für unsere technische und gestalterische Arbeit ist die agile Umsetzung, mit der wir schnell erste Zwischenergebnisse besprechen können. Und so geht es von einer Leitidee zum ersten Prototyp, Weiterentwicklungen, Testing und Optimierung Schritt für Schritt weiter zum finalen Produkt. Das sind zwar alles Sprints aber so ein Projekt ist manchmal auch ein Marathon. Viele Abstimmungsschleifen und kreative Ideenfindungen brauchen ihre Frei-Räume und die haben wir gemeinsam genutzt, um das Ergebnis immer wieder zu verbessern. Das ist ein toller Stil der Zusammenarbeit, den die GLS Bank hier pflegt.
Jan, was ist für Euch anders als vorher in der Übermittlung Eurer Strategie?
Jan: Durch die interaktiven digitalen Inhalte, die wir mit HQ entwickeln konnten, können wir insgesamt mehr Medienbrüche, Verweise, Hintergründe etc. vermitteln und somit allen Leser*innen verschiedene Einstiege und Tiefen ermöglichen. Es läuft also bedarfsgerechter und es sollte für jeden etwas dabei sein. Zudem kommen wir nun aus einem ganzheitlichen konzeptionellen Rahmen in die Übermittlung, das digitale, die Methoden und die Inhalte ergeben ein Bild, dass in Gänze wirken soll. Gleichzeitig ist es für uns aber auch eine Reise und wir stehen erst am Anfang einer Entwicklung und haben ständig neue Ideen, die bisherigen Lösungen noch zielgerichteter zu gestalten.
Jan, was für ein Feedback bekommt Ihr von Euren Stakeholdern dazu?
Jan: Sehr unterschiedlich. Grundsätzlich sind die meisten einfach begeistert von dieser neuen Art der Informationsvermittlung, dem dahinterstehenden Mut, Dinge anders zu gestalten, der genutzten Methode und der Haltung die zu spüren und lesen ist. Es gibt aber auch einige, die sich ein pdf wünschen, es ausdrucken und Markierungen vornehmen wollen, also einfach ein anderes Leseerlebnis wünschen. Auch hier wollen wir nun mit HQ Möglichkeiten anbieten, diesen Bedarfen gerecht zu werden. Auf den Ausdruck wollen wir aber in jedem Fall weiterhin verzichten. Hier kommt man zu dem interaktiven Bericht auf der Website.
Marcus, was für Tipps hast Du für Unternehmen an Ihrer Kommunikation zur Nachhaltigkeit zu arbeiten?
Marcus: Naja, die Frage ist immer, wie überzeugt ist das Unternehmen wirklich davon, mit dem Thema „nachhaltig“ umzugehen. Ist das eine werbliche Eintagsfliege oder steckt dahinter die tiefe Überzeugung, dass unsere Umwelt eine Transformation zu nachhaltigem Wirtschaften benötigt? Für die Authentizität nachhaltiger Kommunikation, ist es meiner Erfahrung nach hilfreich zu sehen, was das eigene Tun verursacht. Das Wissen um die eigene Ökobilanz führt zum Nachdenken und Umdenken, vielleicht erst im Kleinen, aber mit dem großen Potenzial Produkte, Prozesse und die Haltung in Unternehmen nachhaltig zu verändern – und das wirkt sich positiv auf die Kommunikation aus, weil es authentischer wird.
Was wollt Ihr den Leser:innen noch mit auf den Weg geben, um Nachhaltigkeit noch besser in Unternehmen zum Leben zu erwecken?
Marcus: Einfach klein anfangen. Gerne auch klassisch mit einer Inspiration starten, erste Analysen fahren, Hotspots kennenlernen, Reduktionspotentiale definieren, reduzieren, Erfolge gemeinsam feiern, weiter optimieren, Nutzen kommunizieren, Menschen begeistern, kommunizieren, weiter optimieren. Das Ganze ist ein Prozess, der einfach an vielen Stellen im Unternehmen in Gang gesetzt werden muss, damit wir die Transformation schaffen.
Jan: Da bin ich ganz bei Marcus, einfach loslegen, Dinge ausprobieren, scheitern zulassen, Menschen mitnehmen und immer versuchen ganzheitlich auf die Dinge zu blicken. Nachhaltigkeit heißt Lebensqualität und stiftet Sinn auf allen Ebenen. Dies gilt es zu erleben und erlebbar zu machen, also legen wir los!?
Ein wunderschönes Schlusswort, also legen wir los. Vielen Dank Jan und Marcus für die Einblicke und Eure Erfahrung. Ich bin sicher, daß es einige Unternehmen gibt, die von Eurer Arbeit lernen können. Für mich gehört die GLS Bank im Tandem mit HQ Mediensysteme sowie greenzero.me zu einem inspirierendem Leuchtturmprojekt. Danke für Eure Zeit. Weiterhin gutes Gelingen und viel nachhaltige Wirkung.
Über die Interviewpartner
Marcus Weniger
Marcus Weniger, Jahrgang 1968, ist Geschäftsführer der HQ Interaktive Mediensysteme GmbH und der greenzero.me GmbH. Als Vater von vier Kindern stellt er das Thema Enkeltauglichkeit in den Mittelpunkt seines privaten und beruflichen Handelns.
Jan Köpper
Jan Köpper, Jahrgang 1986, ist Leiter der Stabsstelle Wirkungstransparenz & Nachhaltigkeit in der GLS Bank. Er pendelt regelmäßig mit dem Zug zwischen Hannover und Bochum, um seine beiden Töchter zu sehen. Jan sieht Nachhaltigkeit als eine Haltung und begeistert sich für die Vielfältigkeit des Themas und der Menschen, die es umtreibt.
(Quelle Titelbild: GLS Bank)