Im Organisationsrebellen Talk #5 am 25. August habe ich mich mit Monika Schulz-Strelow getroffen. Es ging es um Diversity, Frauen und wie wir mehr Frauen in die Aufsichtsräte bekommen. Denn Monika Schulz-Strelow ist Gründungspräsidentin von FidAR e.V. (Frauen in die Aufsichtsräte) und gilt als die oberste Lobbyistin in Sachen Frauenquote. Die Themen Diversity und Frauenquote beschäftigen mich selbst seit vielen Jahren. Deshalb bin ich selbst vor einigen Jahren FidAR beigetreten. Was es heißt, wegen meines Geschlechts in der Unterzahl zu sein, habe ich kürzlich bei der FidAR-Bilanzkonferenz im Juni 2017 erlebt. Dort war ich einer von 34 Männern unter 300 Frauen. Frauen in Führungspositionen erleben das jeden Tag und dies seit Jahrzehnten. Das muss sich ändern! Deshalb meine Botschaft an alle Chauvinisten: Hört Euch an, was Monika Schulz-Strelow zu sagen hat.
Berliner Erklärung: 12 Millionen Frauen fordern gleiche Teilhabe
Auf der FidAR Bilanzkonferenz überreichte der Verein zusammen mit 17 Frauenverbänden die Berliner Erklärung an die Bundesregierung. 12 Millionen Frauen stehen hinter der Erklärung, in der Forderungen an Privatwirtschaft, Wissenschaft, Kultur, Medien und Politik formuliert werden. Frauen müssen in allen Bereichen gleichberechtigt teilhaben können und sie müssen gleich gut bezahlt werden wie Männer, so der Kern der Erklärung. Andernfalls müssen wirksame Sanktionen greifen. Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte in einer westlichen Demokratie mit einem Grundgesetz, in dem alle Menschen als „gleich“ bezeichnet werden, muss offenbar auch im Jahr 2017 noch erkämpft werden.
Ohne Sanktionen geht es offenbar nicht
Monika Schulz-Strelow ist Feministin und sie ist in der Privatwirtschaft zu Hause. Sie hat jahrelange Berufserfahrung in der internationalen Wirtschaft. Das Letzte was man ihr vorwerfen könnte ist, dass sie nicht weiß, wovon sie spricht, wenn sie von den Unternehmen mehr Geschlechtergerechtigkeit fordert und dazu aufruft, Aufsichtsräte, Vorstandsposten und Führungspositionen im oberen und mittleren Management mit mindestens 30 Prozent Frauen zu besetzen. Ihr Verein FidAR, der 2006 von acht Frauen mit ihr als Gründungspräsidentin ins Leben gerufen wurde, hat mittlerweile 700 Mitglieder und betreibt in Berlin erfolgreich Lobbyarbeit in Sachen Frauenquote. Dabei kommt es ihr vor allem auf die Privatwirtschaft an, denn dort gibt es noch immer zu wenige Frauen in den Top-Positionen. Ihre Bilanz nach zwölf Jahren Lobby-Arbeit: „Dort wo gesetzliche Regelungen erlassen wurden, sind große Erfolge erzielt worden. Überall, wo Unternehmen freiwillig entscheiden können und nicht mit Sanktionen rechnen müssen, bleiben alte Strukturen bestehen.“
Quelle: Stephan Grabmeier / YouTube
30 Prozent Frauenquote in Aufsichtsräten erreicht
Am 1. Mai 2015 trat die 30-Prozent-Quote für Aufsichtsratsposten in börsennotierten Unternehmen mit paritätischer Mitbestimmung in Kraft. 160 Unternehmen waren davon betroffen: frei werdende Aufsichtsratspositionen mussten zum großen Teil mit Frauen nach besetzt werden. Trotz großen Gejammers und Weltuntergangsstimmung ist die Folge des Gesetzes, dass heute 29 Prozent der Aufsichtsratsposten mit Frauen besetzt sind. Und, wie Monika Schulz-Strelow süffisant bemerkt: „Kein Unternehmen ist deshalb in die Insolvenz gegangen.“
Diversity bringt frischen Wind in Unternehmen
Damit hat sie Recht. Ich möchte aber sogar noch einen Schritt weiter gehen: Die Unternehmen profitieren von Diversität, von anderen Blickwinkeln, von mehr Diskussionen und neuen Lösungsansätzen für Probleme. Machostrukturen, die ihre Macht und Pfründe sichern wollen, erhalten sich zwar vielleicht die eigenen Privilegien. Aber sie sorgen bestimmt nicht dafür, dass Unternehmen sich positiv entwickeln. Denn dafür braucht es Mut, Neues zu wagen. Dieser frische Wind kommt bestimmt nicht von den immer gleichen alten weißen Männern. Diversity ist deshalb das Gebot der Stunde und dazu gehören auch mehr Frauen in Entscheidungspositionen.
Männliche Strukturen machen es Frauen schwer
Noch immer prägen tradierte männerdominierte Muster Gesellschaft und Wirtschaft. Wenn wir diese unbewussten Denkmuster und Vorurteile nicht endlich durchbrechen, wird sich so schnell nichts ändern.
Wie stark Rollenmuster Meinungen und Einstellungen beeinflussen, habe ich bei der Deutschen Telekom erlebt. Dort war ich u.a. für die Unternehmenskultur verantwortlich und durfte in dieser Rolle die Einführung einer 30-Prozent-Frauenquote für Führungspositionen aktiv mitgestalten – und die Abwehrreaktionen einer tradierten Organisation erleben. Mit dem damaligen CEO René Obermann und dem CHRO Thomas Sattelberger hat sich die Deutsche Telekom AG als erster DAX-Konzern dazu verpflichtet, bis 2015 30 Prozent Frauen in Führungspositionen zu bringen. Ein einzigartiger Schritt mit hoher Strahlkraft. Leider bisher einzigartig.
Wie stark jahrhundertealte, diskriminierende Muster gegen Gleichstellung auch heute noch immer wirken, zeigt die Tatsache, dass sich bis heute kein männlicher Vorstand der deutschen Wirtschaft traut, sich zu einer Frauenquote zu verpflichten. Wovor haben die Chauvis in den Vorstandsetagen nur solche Angst? Davor, sich auf dem Golfplatz in ihrem Old Boys-Netzwerk rechtfertigen zu müssen? Oder davor, in der eigenen Familie das Rollenbild an die Moderne anzupassen? Oder davor sich selbst zu ändern und von Rollenbild Stereotypen Abstand zu nehmen?
Wie lange werden wir FidAR wohl noch brauchen?
Monika Schulz-Strelow bringt für ihr Ziel, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, viel Energie und Begeisterung mit – „manchmal zu viel für andere“, wie sie selbst sagt. Als Kämpferin für die Frauenquote erwartet sie, dass Frauen, die nun in Top-Positionen kommen, eine Vorbildfunktion für andere ausfüllen. Die Quote sieht sie als Türöffner: Kompetente Frauen mit guter Performance stünden ohne die Quote vor der verschlossenen Tür. Die Quote stößt diese Tür auf – aber durchgehen muss jede Frau selbst. Jeder hat selbst die Verantwortung für seine Erfolge: „Erwartet nicht, dass andere alles für Euch machen. Steht auf und macht es selbst“, fordert sie. So ist die Frauenquote für sie eine Übergangslösung. Nichts wäre ihr lieber, als in einigen Jahren FidAR aufzulösen, die Lobbyarbeit an den Nagel zu hängen und das Gesetz zur Quote wieder abzuschaffen, weil alle Ziele erreicht wurden. Hoffen wir, dass Monika Schulz-Strelows Wunsch bald in Erfüllung geht. Ich setze mich, wie viele andere Frauen und moderne Männer dafür ein.
Dieser Beitrag ist Teil der Organisationsrebellen-Blogparade von Haufe-Vision.