Mitte September 2018 war ich wieder bei den Petersberger Gesprächen von Stephan Huthmacher, CEO der Commasoft AG in Bonn. Hauptthema (auch) dieses Jahr: Künstliche Intelligenz (KI) als Treiberin für Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Ein Thema, das unsere Berufs- und Arbeitswelt, aber auch gesellschaftliche Entwicklungen mindestens so stark prägen wird, wie in den letzten zwei Jahrzehnten das Web 2.0 und die daraus entstandenen Kommunikationstechnologien. Ich war sowohl beeindruckt als auch in Teilen erschüttert von den Impulsen, Zukunftsvisionen und Forschungsergebnissen, die namhafte Wissenschaftler dort präsentiert haben. Wir bei Kienbaum beschäftigen uns einerseits mit der Nutzung der Technologien und andererseits mit den Auswirkungen auf das System Arbeit. Um Euch die Erkenntnisse näher zu bringen habe ich einige der Wissenschaftler interviewt. Alles auf einmal passt jedoch nicht in einen Blogbeitrag, deshalb wird es in den nächsten Wochen immer wieder Interview-Wissensnuggets aus den Bereichen Medizin, Sinologie und Informatik dazu geben.
KI: Treiberin des technologischen Fortschritts
Keine Frage: KI ist die nächste große technologische Entwicklung, die unser Leben und Arbeiten dramatisch verändern wird. Künstliche Systeme wie Computer oder Roboter bekommen immer mehr „menschliche“ Eigenschaften – sie werden intelligent. Sie nehmen Impulse von außen auf und lernen daraus, können Gefühle und Stimmungen deuten und darauf reagieren sowie sie selbst äußern. In die Entwicklung von KI fließen immer mehr auch Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften über die Funktionsweise des menschlichen Gehirns ein. Hinzu kommen große Fortschritte in den Bereichen Big Data und Analytics, die die Weiterentwicklung von KI erst ermöglichen.
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Gruselig oder hilfreich?
Roboter und künstliche Intelligenz sorgen seit jeher für Polarisierung, für Ängste und für Fortschrittsoptimismus. Von Frankenstein über Terminator bis zu Transcendence: Auch die Unterhaltungsindustrie setzt sich mit dem Thema KI auseinander und spielt mit der Verunsicherung der Menschen. Forschungsergebnisse zeigen zudem, dass wir „ein bisschen menschlich“ bei Robotern gut finden. Sehr menschlich dagegen finden wir gruselig; zu sehr irritieren uns kleine Abweichungen von der Norm, wie wir sie kennen.
Mensch vs. Maschine? Ethisches Korrektiv und gesetzlicher Rahmen notwendig
Neben dem Gruselfaktor kommt auch die Angst vor dem Jobverlust („Ersetzt durch eine Maschine!“) infolge des zu erwartenden Strukturwandels hinzu, die viele der neuen Technik skeptisch gegenüberstehen lässt. Aber auch die ungebremste technologische Entwicklung, die ethische und moralische Standards nicht berücksichtigt, wird von vielen kritisch gesehen. Dies ist vor allem deshalb problematisch, weil KI eine Unmenge an Daten sammelt und diese nutzt – wie genau, verstehen und wissen aber die wenigsten. Mitunter scheinen nicht einmal die Entwickler das so genau zu verstehen, wie der Algorithmus Compas, der in den USA rassistische und diskriminierende Gerichtsurteile fällte, zeigt. Schließlich wollte man ja gerade diese Entwicklung durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz vermeiden. So warnte auch einer der disruptivsten Vordenker Elon Musk in Austin bei der SXSW vor den Gefahren von KI und forderte eine Aufsichtsbehörde, die die Entwicklung von KI und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen überwacht.
Skepsis und ein kritischer Blick auf KI sind notwendig und hilfreich. Absolut fehl am Platz ist aber reine Angstmacherei. Die Betrachtung der Fakten und die Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen sind deshalb oberstes Gebot.
Großer Nutzen erhofft
Wohl kaum würde ein Land wie China so viele Ressourcen in das Feld KI pumpen, wenn es sich davon keinen Nutzen verspräche – und auch die Bundesregierung zieht nun nach mit ihrem Masterplan (oder eher Masterplänchen) zur Entwicklung von Künstlicher Intelligenz. KI wird zum zum wirtschaftlichen und politischem Machtfaktor.
Heute werden Empfangsschalter bereits von Robotern besetzt und auch im Bereich Pflege hofft man, den Notstand, der durch die alternden Gesellschaften auf uns zukommen könnte, zu bewältigen. In der Diagnostik gab es bereits Ende der 90er Jahre Computer, die treffende Aussagen machen konnten, aber dann am Widerstand mächtiger Lobbyverbände scheiterten.
Interdisziplinäre Perspektiven auf dem Petersberg
Dieses hochkomplexe und spannende Feld beleuchteten auf dem Petersberg die Professoren Markus Gabriel (Philosoph), Alois C. Knoll (Informatiker), Joachim L. Schultze (Mediziner), Sören Schwertfeger (Informatik) und Markus Taube (Sinologe) aus verschiedenen Perspektiven. Die große Interdisziplinarität unter den Experten zeigt einmal mehr, wie stark KI in verschiedenste Themen- und Lebensbereiche einwirkt und wie viele Perspektiven es sich lohnt, einzunehmen. Ich habe aus den Vorträgen und Gesprächen in Bonn viele Impulse und Anregungen mitgenommen und freue mich sehr, dass ich einige der genannten Professoren für Interviews auf meinem Blog gewinnen konnte.
Sie dürfen sich also in den nächsten Wochen auf interessante und neuartige Blickwinkel und Perspektiven zum Thema KI freuen!
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