Anna Ott ist eine der Top Expertinnen für HR Tech, Start-ups und New Work. Sie ist bestens vernetzt in der globalen HR Tech- und Investorenszene. Wir beide haben eine „Magenta“-Vergangenheit: bis Anfang des Jahres war Anna beim Telekom-Inkubator hub:raum. Dort hat sie nicht nur die HR Arbeit für die Beteiligungsunternehmen gestaltet sondern auch einige mutige Experimente gestartet. Wer im Konzern(umfeld) Lebensläufe in der HR Arbeit abschafft und dafür Videoscreening und Chatbots nutzt, hat rebellische Gene in sich, wie Ihr in unserem Talk sehen werdet. Anna Ott und ich haben uns im kreativen Gewächshaus-Ambiente während der Kienbaum Summer Innovation School getroffen. Im Gespräch hat Anna Ott mir unter anderem erzählt, warum HR Tech ein wichtiges Thema unserer Zeit ist, weshalb Kreativität heute auch im Job so wichtig ist und wer sie am meisten geprägt hat.
Eine kurze Beschreibung ihres Jobs…
Ich bewege mich prinzipiell an der Schnittstelle von HR und Technologie. In meinem Job geht es darum, das Dreieck zwischen Gründern im Bereich HR Tech, Start-ups und möglichen HR-Anwendern zu verbinden. Das ist ein relativ junges Feld. Man kann sich das dann so vorstellen: Ich bewege mich in diesem Dreieck und versuche, alle Ecken miteinander bekannt zu machen und zu verknüpfen. Denn mein Ziel ist es, HR Tech als Thema größer zu machen. Konkret: Den HRler, der auf der Suche ist, den Gründer, der was verkaufen will und den Investor, der was sucht, in das er investieren kann — sie alle drei zusammenzubringen, das ist meine Mission.
Warum HR Tech ein Thema unserer Zeit ist…
Es gibt dafür viele Aspekte. Als ein Beispiel: die Halbwertszeit von (Fach-)Wissen nimmt durch die technologische Entwicklung kontinuierlich ab. Es findet dadurch viel mehr Bewegung in den Karrieren statt als früher. Alle suchen nach dem nächsten coolen Job, nach der Verbesserung, dem neuen Thema oder der Spezialisierung. Die Menschen beschäftigen sich damit, wie ihr Job in der nahen Zukunft aussehen wird. Und auch die Unternehmen merken: Es gibt immer mehr neue Berufsbilder, sie müssen an den Entwicklungen dranbleiben. Heute brauchen wir plötzlich Data Scientists und Machine Learning-Experten. Vor drei Jahren gab’s das noch gar nicht. Zudem fallen die Talente nicht von den Bäumen. Die Leute können sich zum Glück in vielen Ländern dieser Welt ihre Jobs aussuchen. Sie sind nicht verzweifelt auf der Suche oder haben den sozialen Druck. Und das führt dazu, dass wir alle mehr Auswahl haben und vielleicht auch kritischer geworden sind.
Warum Kreativität heute auch beruflich so wichtig ist…
Heutzutage geht es viel mehr darum, etwas Kreatives zu machen und über den Tellerrand schauen zu können. Es geht viel weniger um lexikalisches Wissen. Das ist es oftmals, was man zuvor in der Laufbahn eingetrichtert bekommen hat: Dinge auswendig zu lernen, um sie dann wiedergeben zu können. Heute geht es viel mehr darum, nach Informationen recherchieren zu können und zu wissen, wo man sie findet. Und auch, wie man daraus smart neue Sachen gestaltet und baut. Das kann eine Dienstleistung, ein Produkt oder etwas Technisches sein — völlig egal. Die Kernfrage ist: Wie komme ich selber von A nach B, wenn mir niemand sagen kann, wie der Weg ist? Das zu meistern und das Meistern zu lernen, hat ganz viel mit Persönlichkeit und Kreativität zu tun.
https://youtu.be/UZWLYsN7t6o
Warum sie eine Rebellin ist…
Ich bin von Haus aus so erzogen worden. Meine Eltern haben mir als Kind schon einiges an Selbstbewusstsein und Kreativität mitgegeben. Da ist auch ein gewisses Maß an Antiautorität mitgekommen, das ich mir bewahrt habe. Darin befand sich auch sicherlich ein rebellisches Element: Nämlich das Selbstbewusstsein, Dinge in Frage zu stellen und sich mit seiner Meinung zu positionieren. Ich glaube, das ist einfach ganz viel Sozialisierung und Erziehung.
Was man von Anna Ott lernen kann…
Ich bin inhaltlich von der Frage getrieben, wie HR Tech in Zukunft aussehen kann. Damit beschäftige ich mich sehr viel und tausche mich mit allen möglichen Leuten aus. Ich versuche alles an Wissen dazu wie einen Schwamm aufzusaugen. Und wie dieses Betätigungsfeld in fünf Jahren aussehen könnte, das interessiert mich brennend. Ich gehe schon davon aus, dass die meisten Personaler einen Job haben werden. Aber man wird sehen müssen, welche Skills dann wichtig sind und welche Leute Personalarbeit leisten müssen. Ich will nicht behaupten, dass ich dazu alles weiß, aber ich stelle mir dazu zumindest viele Fragen. Wenn man viele Fragen stellt, bekommt man ja auch oft Antworten. Das ist eine Eigenschaft, die man von mir lernen kann.
Wer Anna Ott am meisten geprägt hat…
Das ist mein Mann, beruflich wie privat. Es gibt ja nicht oft Konstellationen, wo sich das so verzahnt wie bei uns. Das liegt einfach daran, dass wir in ähnlichen Themenfeldern unterwegs sind. Immer, wenn ich ein neues berufliches Thema oder eine Frage habe, rufe ich ihn als erstes an. Er ist mir ein paar Berufsjahre voraus und als Typ ganz anders als ich. Viel analytischer, viel kritischer. Ich bin hingegen eher impulsiv und leidenschaftlich. Das ist ein guter Kontrast. Er gleicht mich an vielen Stellen aus und ergänzt mich. Und so prägt er mich seit über 10 Jahren.
Anna Ott über ihren bislang größten Fehler im Berufsleben…
Da gibt’s so einige, an die ich mich noch singulär erinnern kann. Grundsätzlich habe ich mich durch mein überbordendes Selbstbewusstsein bereits in den ersten Berufsjahren an manchen Stellen etwas zu weit hinausgewagt. Angefangen habe ich in einer Beratung, wo’s um Vertrieb ging: Ich war da teilweise schon ziemlich frech bei den Kunden. Das kam nicht immer gut an. Dementsprechend musste mich mein Chef zurückpfeifen. Er hat es so gemacht, dass ich es auch angenommen habe — denn nur Schelte hätte nicht funktioniert. Ich hatte einfach zu viel naiven Optimismus und Selbstbewusstsein. Aber ich habe über die Zeit gelernt, das ein bisschen auszutarieren.
Über ihren Lieblingsort…
Meine Küche. Mit der Zeit habe ich ein Faible für das Thema Essen entwickelt. Mir geht’s da nicht um Molekularküche oder so, sondern einfach um gesundes, leckeres Essen.
Die Küche ist der Ort, an dem ich schon immer etwas abschalten konnte. Ich hatte mit 27 Jahren Burnout, weil ich unter anderem zu viel gearbeitet habe. Ein großer Teil meines Heilungsprozesses war das Lesen von Kochbüchern. Kein Witz. Also, wirklich das Lesen: 300 Seiten von Paul Bocuse, wo es alleine 20 Seiten nur um Saucen geht — ohne ein einziges Bild. Das war Teil meines Abschaltprozesses als Kontrastprogramm. Die Haptik, die Kunst, etwas mit den Händen zu machen, ist ein toller Ausgleich zum digitalen Rechner-Job.
Über ihr jüngstes Küchen-Experiment…
Ich versuche aktuell, mein Vollkorn-Baguette zu perfektionieren. Neulich habe ich eine neue Charge mit neuen Varianten gemacht. Kurz danach hat mir mein Mann verraten, dass seine französische Mutter es schon probiert hat und es wirklich klasse findet. Das war natürlich ein Ritterschlag. Die Küche ist mein Refugium, der Ort, an dem ich abschalten kann und viel herum experimentiere.
Liebe Anna, vielen Dank für das klasse Interview, es hätte viel länger dauern können. Wie besprochen holen wir den nächsten Talk bei Dir in der Küche nach. Ich freue mich. Weiterhin alles Gute.