„Mensch sein heißt Sinn finden“ – diese kurze und bündige Zusammenfassung stammt von Viktor Frankl. Vom Sinn und Wert des Lebens zu sprechen, ist heute notwendiger denn je. Die Frage ist, ob – und wie – es auch möglich ist. Meine Purpose-Trilogie begann im ersten Teil mit „Purpose in der Gesellschaft“.
Purpose wird mit Sinn und Zweck übersetzt. Er ist eine Art innerer Kompass, der selbst bei größerer Unsicherheit und stetig wechselnder Wetterlage jederzeit Orientierung gibt. Im folgenden zweiten Teil gehe ich auf den individuellen Purpose ein. Um nahtlos anzudocken, empfehle ich Ihnen, den ersten Teil vorab zu lesen. Ich bin sicher, die Purpose-Fans unter Ihnen haben das schon lange getan. Wenn nicht: Dann los, hier geht es zu Teil I.
Hinweis: Ab sofort steht die komplette Purpose-Trilogie als Whitepaper zum kostenfreien Download zur Verfügung. Hier geht’s direkt zum Download.
Warum stehen wir jeden Morgen auf?
Was treibt uns eigentlich an? Weshalb machen wir genau den Job, den wir machen? Welcher Sinn, welches Bedürfnis, welche Erwartung steckt dahinter? Spontan ist die erste Antwort vielleicht: Na ja, um Geld zu verdienen. Das wäre weder ungewöhnlich noch verwerflich. Geld zu verdienen ist die Voraussetzung für die Befriedigung zahlreicher Bedürfnisse. Und für die Befriedigung der materiellen und mittelbar materiellen Bedürfnisse in der Maslowschen Pyramide ist Geld eine wesentliche Voraussetzung. Wir tauschen Arbeit gegen Geld und Geld gegen Waren, die uns
- satt, warm, gesund oder geschützt halten
- Ansehen, Zugehörigkeit, Status oder Respekt verschaffen.
Interessanterweise nehmen die Abhängigkeit vom Geld und das Streben danach ab, wenn es an der Spitze der Pyramide um die Selbstverwirklichung geht – also um das Bedürfnis, im Rahmen der eigenen Möglichkeiten die beste Version seiner/ihrer selbst zu werden. Hier, bei der Frage nach dem Sinn, nach der Bestimmung des eigenen Lebens für sich und andere, tritt die zwingende, einfache mathematische Funktion zwischen den verfügbaren Mitteln und dem Grad erreichbarer Bedürfnisbefriedigung in den Hintergrund.
Untersucht haben dies 2010 der Ökonom Angus Deaton und der Psychologe Daniel Kahnemann in ihrer Studie „High income improves evaluation of life but not emotional well-being“. Sie kamen nach der Analyse von 450.000 Gallup-Interviews auf ein Jahreseinkommen von damals 75.000 US-Dollar als Grenzwert, bis zu dem die tagtägliche Lebenszufriedenheit („emotional well-being, … the emotional quality of an individual‘s everyday experience“) mit dem Einkommen wächst. Ab Erreichen der Grenze ist Schluss damit. Mehr Einkommen verhilft einem nicht zu einem Mehr an tagtäglicher Lebenszufriedenheit. Lediglich die allgemeine Gesamteinschätzung des Lebensglücks wachse weiter, ohne überhaupt einen nennbaren Deckel zu erreichen, so die Autoren. Dass es reicht, den Kühlschrank regelmäßig füllen zu können, einigermaßen komfortabel zu wohnen und ein paar weitere Basics relativ sorglos sicherstellen zu können, um die Stufe maximalen Alltagsglücks zu erreichen, ist ein wohltuendes Ergebnis dieser Studie.
Wer das erkennen, für sich selbst bestätigen und aufrichtig nachempfinden kann, erlangt Freiheit. Und damit ergibt sich die Möglichkeit, sich offen mit Fragen nach dem Sinn zu beschäftigen.
Sinnsuche im Immateriellen
Die Sinnsuche stellt Immaterielles in den Vordergrund. Tiefe innere Zufriedenheit ist nicht einfach käuflich. „Im Gegenteil!“, mochte man rufen angesichts des Hechelns und Hetzens, das so manchen Arbeitstag prägt. Und was ist abends erreicht? Welcher bleibende Wert ist geschaffen, welcher Eindruck hinterlassen? Hat sich wieder alles nur darum gedreht, Geld zu verdienen, mit dem wir uns Wünsche erfüllen, die ohne das viele Geld nicht da waren? Ist da nicht noch etwas anderes?
Natürlich wird jede*r von uns diese Fragen individuell beantworten. Und gewiss gibt es zahlreiche Menschen, die sehr glücklich sind über das, was sie tun; auch materiell. Und um nicht falsch verstanden zu werden: Dies ist kein Plädoyer für Selbstkasteiung um der Selbstkasteiung willen, kein Aufruf, durch größtmöglichen Verzicht endlich ein besserer Mensch zu werden. Nur ein Aufruf, die Sinne für das wirklich Wichtige zu schärfen. Denn ebenso gibt es zahlreiche Menschen, die nicht wirklich glücklich sind. Sie leiden unter den Umständen, unter denen sie ihrer Arbeit nachgehen. Leiden an mangelnder Anerkennung und Förderung, an übertriebener Kritik oder an der Ignoranz ihrer Vorgesetzten, die ihr Potenzial nicht erkennen oder keine Möglichkeit sehen, es zu heben und zu nutzen. All das treibt Menschen zunächst in latente Unzufriedenheit und, wenn‘s reicht, nach Schlüsselmomenten und -ereignissen in die offenkundige und bewusste Suche nach der Verbesserung der Verhältnisse. Denn das Gras muss doch irgendwo anders grüner sein.
Der springende Punkt ist, ob jemand entsprechend seiner Neigung arbeiten und dank entsprechender Eignung seinen Lebensunterhalt erfolgreich bestreiten kann. Idealerweise liegen Neigung und Eignung ganz eng beieinander. Interessant ist, dass Neigung eine Ich-Aussage ist, Eignung dagegen eher von Dritten zugemessen wird. In den Berufslaufbahnen früherer Generationen – in denen oft die Profession des Vaters oder Großvaters auch die eigene wurde – dominierte die individuelle Einhegung, die bis hin zur Unterdrückung anderweitiger Neigungen ging. Glück und Zufriedenheit waren eher Zufallstreffer, Pflichterfüllung und Gehorsam höher priorisiert. Heute steht bei vielen der jüngeren Generationen die Sinnfrage in ihrem Tun im Vordergrund.
Der Purpose Sweet Spot
Grundsätzlich sollte der Purpose eines Unternehmens natürlich auch zu den Mitarbeiter*innen passen – und umgekehrt. Die Passung, die hier stattfinden muss, nenne ich Purpose Sweet Spot, also die Schnittmenge des Corporate Purpose und dem individuellen Purpose.
Ziel sollte es sein, einen möglichst großen Sweet Spot, also Schnittmenge, zu erreichen: Eine möglichst große Übereinstimmung zwischen
- dem individuellen Werten, Zielen und Purpose eines/r Mitarbeiter*in und
- den Werten und dem Purpose eines Unternehmens.
Je größer die Übereinstimmung, umso
- mehr Potenzial lässt sich entfalten,
- mehr Spaß hat man an gemeinsamen Themen und
- produktiver lässt sich arbeiten.
Wie gering die Überschneidung ausgeprägt ist, zeigt uns die jährliche Gallup-Untersuchung der Bindung von Mitarbeiter*innen an ihr Unternehmen. Ich habe den Verlauf von über 15 Jahren betrachtet. Das Ergebnis ist sehr eindeutig und ernüchternd. Rund 70 Prozent haben im Zeitverlauf eine geringe und knapp 20 Prozent keine Bindung an das Unternehmen, für das sie arbeiten. Die Zahlen erschrecken mich immer wieder. Es gibt viel zu tun, um sinnhafter zu arbeiten und den Purpose Sweet Spot mehr und mehr zum Leben zu erwecken.
Was sollte überwiegen – Passion oder Purpose?
Häufig entsteht die Diskussion, teilweise auch die Verwechslung, zwischen Leidenschaft – also der Passion – und dem Purpose. Eine Untersuchung der Harvard Universität (2018) zu den Auswirkungen der Arbeitsproduktivität zeigt hier ein klares Bild und hat auch eine eindeutige Empfehlung: Folge nicht Deiner Leidenschaft. Ist man nur leidenschaftlich, also macht man das was man gerne tut, erhöht das die eigene Arbeitsproduktivität um 20 Prozent. Folgt man seinem Purpose, also sieht man einen höheren Sinn darin, was man tut, erhöht man diese um 64 Prozent. Verbindet man beides, also man macht das was man gerne tut UND verfolgt einen höheren Sinn, erreicht man einen Wert von 84 Prozent.
So finden Sie Ihren Purpose
Ich möchte Ihnen heute ein Modell vorstellen, welches Sie für die Erarbeitung Ihres individuellen Purpose nutzen können. Vielleicht haben Sie schon von Ikigai gehört?
Der Begriff „Ikigai“ stammt aus dem Japanischen und kennzeichnet eine Lebenseinstellung. Es bedeutet übersetzt in etwa „das, wofür es sich zu leben lohnt“, oder „etwas, wofür es sich lohnt, am Morgen aufzustehen“. Besonders geprägt wurde der Begriff auf der japanischen Insel Okinawa: Dort leben die ältesten Menschen der Welt, die meisten Hundertjährigen. Außer täglicher moderater Bewegung, ihrer Ernährung und einem Leben in Gemeinschaft mit anderen ist das „Ikigai“ eines der zentralen Gründe für ihr hohes Alter. Sie kennen den Begriff „Ruhestand“ nicht und bleiben zeitlebens aktiv. Ihr ganz persönliches Ikigai gibt ihnen die nötige Motivation, ist der „Grund am Morgen aufzustehen“, ihr Lebenssinn.
Entsprechend eignet sich dieses Modell, wenn die Frage nach Selbstverwirklichung oder dem Sinn unseres Lebens im Mittelpunkt steht. Die darin enthaltenen Leitfragen beleuchten ein weites Spektrum unseres menschlichen Daseins.
Die Ziele dabei sind
- Das Sichtbarmachen eigener Leidenschaften, Stärken, Ressourcen und Werte
- Die Visualisierung der eigenen Lebenssituation
- Das Aufdecken von Bereichen, die gegebenenfalls als „mangelhaft“ oder „vernachlässigt“ empfunden werden
- Einen Wegweiser für die nächsten Schritte im Leben zu schaffen.
Die wichtigsten Leitfragen des Ikigai
Folgende Darstellung wird meist mit dem Ikigai in Verbindung gebracht. Es zeigt vier einander überschneidende Kreise, die insgesamt vier wesentliche Fragen behandeln:
- Was liebe ich?
- Was kann ich gut?
- Wofür werde ich bezahlt?
- Was braucht die Welt von mir?
Die Schnittmenge von zwei nebeneinander liegenden Kreisen zeigt, welches Bedürfnis damit erfüllt wird. So zeigt etwa das Segment zwischen „Was du liebst“ und „Was du gut kannst“ den Bereich an, in der wir unsere Leidenschaft, unsere „Passion“ für etwas ausdrücken können, zum Beispiel in einem Hobby.
Erst wenn alle vier Bereiche ausreichend gelebt werden und miteinander in Balance sind, erfahren wir als zentrale Schnittmenge unser Ikigai. Auch hier, es kann ebenfalls als „Sweet Spot“ bezeichnet werden, gibt es diesen idealen Punkt, an dem etwas seine optimale Wirkung entfaltet. Oder anders gesagt: Das, in dem sich die eigenen Talente und Leidenschaften mit dem überschneiden, was die Welt braucht und wofür wir auch entlohnt werden.
Starten Sie Ihre persönliche Purpose Exploration
Wir begleiten viele Menschen bei ihrer individuellen Purpose Exploration. In einem intensiven 14-tägigen Programm, das modular aufgebaut ist, lernt jede*r,
- sein/ihr Wofür, Wie und Was zu definieren
- damit zu arbeiten
- seine/ihre Werte und Wirkungen zu reflektieren
- für die eigenen Entscheidungen einzuordnen.
In den letzten Wochen haben hunderte Interessierte an unseren Webinaren und unserem Purpose Exploration-Kurs teilgenommen. Sofern Sie es noch nicht getan haben und sich aufmachen wollen zu Ihrer individuellen Purpose Exploration: Hier haben Sie die Gelegenheit.
Mein Purpose lautet: „Ich inspiriere Menschen dazu, sich zu entfalten, um eine bessere Welt zu gestalten“. Danach lebe ich jeden Tag. Meine Purpose-Prinzipien finden Sie hier.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß, Muse und Empathie bei dem Entdecken Ihres individuellen Purpose. Wenn ich Ihnen helfen kann und die Community der Purpose People interessant für Sie ist, dann melden Sie sich gerne.
Hinweis: Ab sofort steht die komplette Purpose-Trilogie als Whitepaper zum kostenfreien Download zur Verfügung. Hier geht’s direkt zum Download.
(Quelle Titelbild: © Josh Calabrese | unsplash.com)