Zum 13. Organisationsrebellen-Talk traf ich mich mit GenY-Botschafterin und Speakerin Dr. Steffi Burkhart in unserem Bistro der Kienbaum Headquarters in Köln. Ein quirliger Talk über Frauen, Rebellion und die Herausforderungen durch die „Digital Natives“.
Gebrauchsanweisung für die Gen Y
Mit ihrem Buch „Die spinnen, die Jungen“ hat sie eine Gebrauchsanweisung der Generation Y vorgelegt und wurde zur gefragten Interviewpartnerin in den Medien. Steffi ist Jahrgang 1985 und gehört zur Millennials-Generation der 20- bis Mitte-30-Jährigen, die mit der Digitalisierung groß geworden ist. Welche Anforderungen, Wünsche und Bedürfnisse hat die Generation Y an Job und Arbeitgeber? Wie können Unternehmen die jungen Leute halten? Das sind Fragen, die Steffi Burkhart bei ihren Vorträgen vor Unternehmen und Verbänden fast täglich beantwortet. 120 bis 130 mal im Jahr ist Steffi als Speakerin und Lehrbeauftragte unterwegs, um zwischen ihrer Generation und den meist älteren Chefs zu vermitteln. Warum die Rolle als Botschafterin? „Wir haben in meiner Generation viele, die eher eine Party organisieren als eine Demo“, sagt Steffi offen, „und auf der anderen Seite ältere Arbeitgeber, die uns nicht verstehen.“
Leistungssport lehrt das Mindset fürs Leben
Genau wie ich kommt Steffi aus dem Leistungssport: „Ich wollte schon mit vier Jahren den gleichen Sport machen wie meine Schwester“, erzählt sie mir, „und das war rhythmische Sportgymnastik. Dann habe ich circa fünf bis sechs Mal die Woche Training à drei Stunden gemacht.“ Der Lernerfolg war enorm: „Diszipliniert zu sein, Ehrgeiz zu haben, Durchsetzungswille oder sich selbst zu motivieren, wieder aufzustehen nach Niederlagen. Was heute einfach wichtig ist.“ Es ist dieses Mindset, das auch heute noch ihr Leben bestimmt.
Quelle: Kienbaum / YouTube
Die Story mit dem Handlauf
Im gesundheitlichen Betriebsmanagement eines großen Konzerns hatte Steffi ein Schlüsselerlebnis: „In der ersten Arbeitswoche hat mein Abteilungschef – wir waren acht Personen – gesagt: Wir gehen jetzt mal zusammen zur Mittagspause zur Kantine. Ich war die erste, die die Treppen runterging. Auf der halben Treppe hat mein Chef von ganz oben gesagt: Frau Burkhart, bitte den Handlauf benutzen. Ich kannte mit 25 das Wort nicht, habe mich umgedreht und sah, wie meine Kollegen – wie so eine Entenfamilie hintereinander aufgereiht – die Treppen runtergingen.“
Für Steffi heute kaum noch vorstellbar: „Ich habe mich wirklich an dem Handlauf festgehalten. Das Ganze habe ich dann zwei Jahre so gemacht, weil es alle so gemacht haben.“ Und weil das im Konzern so vorgeschrieben war.
Mental Change – der erste berufliche Wendepunkt
Steffi Burkhart im Organisationsrebellen-Talk: „Ich habe in den zwei Jahren Konzern gemerkt, dass die Struktur überhaupt nicht zu mir passt. Dieser cultural fit war nicht da und es war alles stark hierarchisch, überhaupt kein Experimentierraum.“
Rückblickend weiß Steffi: „Diese Handlauf-Geschichte steht als Metapher für die Gewohnheit, für all die Regeln, die wir uns in den letzten Jahrzehnten in Organisationen aufgebaut haben, woran sich immer noch viele so imaginär festhalten.“
Organisationsrebellen sind für Steffi Burkhart…
„…cool, weil sie das Bestehende in Frage stellen. Das sind die Grade ups dieser Erde, also jene, die sich über Hierarchien hinwegsetzen, in Netzwerken denken und sich lösen von imaginären Handläufen.“ Aber Steffi hat auch erfahren: „Organisationsrebellen sind unbequem – und damit auch heute oft noch unbeliebt.“
Auf ihrem T-Shirt steht „Rebelle with a cause“. Damit will sie ein Zeichen setzen, Chefs zum Umdenken auffordern. Steffi: „Wer in meinem Alter in seinem Unternehmen nicht weiterkommt, der macht sich selbstständig. Und das kann ja für Arbeitgeber keine Alternative sein.“
Die Experimentierfreude der Deutschen Bank
„Nicht umsonst hat die Deutsche Bank in Frankfurt die Digitalfabrik aufgebaut und bis 2020 etwa 600 Millionen Euro investiert“, sagt mir Steffi im Talk. „Die Banker haben festgestellt, dass sie keine guten jungen Leute einstellen können, weil die nicht in unser System wollen.“
SAP schlägt Alarm: Kompetenzen für die Zukunft fehlen
Steffi Burkhart: „Der Head of Global Acquisition von SAP hat mir kürzlich gesagt, dass die Kompetenzen, die wir in der Zukunft brauchen, heute bei den Bewerbern gar nicht vorhanden sind.“ Was aus Steffis Sicht fehlt: „Ein Bildungssystem, das den Digital Natives diese Kompetenzen vermittelt.“
„Support the girls“ ist ihr Motto
„Wir haben es immer noch mit der Situation zu tun, dass viel zu wenige Frauen in Führungspositionen sind. Die Frauenquote gilt für Aufsichtsratspositionen. In den Organisationen haben wir im Vorstand oder Management aber derzeit nur sieben oder acht Prozent Frauen.“ Das will Steffi ändern, indem sie Unternehmen aufklärt: „Wir können doch längst nicht mehr von einem Ein-Verdiener-Modell sprechen, sondern müssen heute zu zweit arbeiten gehen: Mann und Frau. Auf der einen Seite müssen wir es, weil wir es uns in Ballungszentren wie München, Berlin oder Hamburg nicht mehr erlauben können, mit einem Gehalt eine ganze Familie zu finanzieren. Doch auf der anderen Seite wollen wir es auch.“
Das Problem, so Steffi: „Frauen meiner Generation tun sich mit Unterstützung schwer, weil wir davon ausgehen, dass wir gleichwertig sind. Wir wollen einfach aufgrund unserer Leistung überzeugen. Und nicht Empowerment-Programme besuchen, um nach oben zu kommen.“
Chefs müssen „Ja, aber…“-Mentalität ablegen
Zuhören ohne Wenn und Aber. Führungsveranstaltungen endlich mit und nicht ohne Generation Y: „Beratungsunternehmen wie Drees & Sommer oder der jüngste Bürgermeister in NRW – Daniel Zimmermann aus Monheim – sind positive Beispiele fürs Umdenken,“ sagt Steffi. Und ein Zusammen von Jung und Alt kann ebenso funktionieren. „Der Talent-Manager von Bayer in Leverkusen – Jörn Fach – hat gesagt: Meine Abteilungen sind mit Vertretern der Generation Y in der Hauptverantwortung besetzt. Sie haben aber alle einen Pairing-Partner der älteren Generation, weil sie sich so immer Feedback einholen können.“
Start-ups von Frauen bekommen weniger Geld
Steffi Burkhart: „Erschreckend fand ich, dass 2016 etwa 58 Milliarden US-Dollar in Start-ups gesteckt wurden, die von Männern geführt werden und nur 1,6 Milliarden US-Dollar in Start-ups, die von Frauen geführt werden.“ Und: Nur drei Prozent der Start-ups im Tech-Bereich seien von Frauen finanziert worden. Das traurige Ergebnis: „Wenn auf der Seite der Finanzierer so wenig Frauen dabei sind, dann ist es auf der anderen Seite auch schwierig, Frauen zu finanzieren und zu supporten.“
Frauen sollen Frauen bleiben
Und noch etwas hat Steffi beobachtet: „Manche Frauen in Top-Positionen sind richtig Mann und gar nicht mehr Frau. Deshalb brauchen wir die doppelte F-Quote: female, aber auch gleichzeitig feeling. Ich bin dafür, Frauen bis ganz nach oben zu fördern, die wirklich auch Frau bleiben und nicht Mann werden.“
Meine Erkenntnis nach dem 13. Organisationsrebellen-Talk: Wir brauchen noch viel mehr Steffi Burkharts, weil das Umdenken nur durch Aufklärung, Vorleben und mit viel Power einsetzen wird. Und: Diversität ist nicht nur Gender Mann-Frau, sondern auch eine Generationenfrage. Denn in unseren Kinderzimmern stecken heute mehr digitale Kompetenz als in vielen Vorstandsetagen.
Dieser Beitrag ist Teil der Organisationsrebellen-Blogparade von Haufe-Vision.
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