2

„Die Digitalisierung bietet viele Chancen für HR“ – Dr. Jens Lang im Interview

Das Silicon Valley: Dort wurde das iPhone erfunden. Und der Computer. Google und sein fahrerloses Auto sind dort zu Hause – es ist seit vielen Jahrzehnten die Keimzelle der digitalen Welt – das lässt das Herz eines überzeugten Digitalisierungstreibers wie mich höher schlagen! Ich hatte vor einiger Zeit Dr. Jens M. Lang, Senior Transformation Manager bei Haufe-umantis, kennen gelernt, der im Herbst vergangenen Jahres auf Forschungsreise im Silicon Valley war, um herauszufinden, wie HR und Digitalisierung in Zukunft voneinander profitieren können. Also was liegt näher als die Erkenntnisse aus meinem Gespräch mit Jens in meinem Blog mit Euch zu teilen. Da Jens und ich in meiner zukünftigen neuen Aufgabe als Chief Innovation Evangelist bei der Haufe-umantis AG in einem Team arbeiten werden passt der Rahmen umso mehr.

„HR müssen ihren Instrumentenkasten vor dem Hintergrund der Digitalisierung reformieren“

jens lang, hr, digitalisierung, silicon valley
Disruptive Innovationen: Das selbstfahrende Auto von Google in Aktion. (Bild © Jens M. Lang)

Hallo Jens. Du warst vor Kurzem im Silicon Valley auf „Forschungsreise“. Was wolltest Du dort herausfinden?

Die Digitalisierung schreitet mit Siebenmeilenstiefeln voran. Das Ziel meiner Studie als Personaler war, die Auswirkungen der Digitalisierung auf den HR-Bereich vor Ort genauer zu erkunden. Dazu konnte ich mit einem Dutzend Personen wirklich spannende Interviews führen. Gesprächspartner waren HR-Manager von großen und mittelständischen Unternehmen, Vertreter von Forschungsinstituten, Think Tanks und Founder bzw. Co-Founder von Start-ups.

Das Silicon Valley gilt als die Kinderstube für disruptive Innovationen. Warum entstehen hier so bahnbrechende Erfindungen wie das iPhone oder der PC?

Im Valley hat sich ein Ecoosystem gebildet, bei dem Start-up-Unternehmer mit dem benötigten Kapital und Know-How zusammen kommen. Je nachdem, in welcher Phase sich ein Start-up befindet, gibt es „early-stage“ oder „accelerator programs“. „Angel Investor’s“ wie beispielsweise „500startups“ oder Organisationen wie das Keiretsu Forum, das mit über 1500 akkreditierten Investorenbieten eine grandiose Basis zur kommerziellen Entwicklung guter Geschäftsideen bildet. Ich selbst habe in Palo Alto in einer so genannten „start-up embassy“ gewohnt. Bedingung dort war, dass jeder sein Geschäftsmodell während der Zeit mindestens einmal den anderen präsentiert. Man erhielt dann auf der abgewetzten Ledercouch und manchmal bei einer Dose Bier wirklich gutes und offenes Feedback von anderen. Ich habe am eigenen Leib erfahren, wie schnell man dadurch auch in das dortige Netzwerk eingeschleusst wird.

jens lang, hr, digitalisierung, silicon valley
Das Keiretsu-Forum bietet eine gute Basis für neue Geschäftsideen. (Bild © Jens M. Lang)

Wie beeinflusst die Digitalisierung HR?

Für den HR Bereich konnte ich fünf wesentliche Trends erkennen, die durch die Digitalisierung verursacht sind:

  1. Big HR Data und „Predictive Analytics“ werden wichtiger.
  2. Externe HR-Anwendungen, Marktplätze und Apps setzen sich durch.
  3. Gamification Techniken haben hohes Potenzial.
  4. Wellbeing als „alter Bekannter“ wird weiterhin wichtig für eine diverse Belegschaft sein.
  5. Die HR Bereiche selbst müssen sich neu aufstellen und auf das Thema Digitalisierung fokussieren.

Ich gehe zudem davon aus, dass wir zukünftig viele HR Anwendungen und Plattformen sehen werden, die von den Unternehmen gar nicht „eingeführt“ wurden, die aber trotzdem von den Beschäftigten verwendet werden. Genauso wie jetzt schon whatsapp genutzt wird, werden wir zukünftig sicher zahlreiche Anwendungen aus dem HR-Umfeld sehen.

Manche sagen, wir HR’ler werden bald alle arbeitslos. Denn schließlich übernehmen Social Networking und der freie Informationszugang über das Internet viele Kernfunktionen der Personalabteilungen. Wie können wir das verhindern?24

jens lang, hr, digitalisierung, silicon valley
Die Sharing Economy durchzieht alle Lebensbereiche. (Bild © Jens M. Lang)

Trends wie beispielsweise der freie Informationszugang lassen sich meines Erachtens nicht aufhalten. Ergeben sich daraus aber nicht auch sehr viele Chancen für die Rolle von HR? Je mehr Informationen frei zugänglich werden, je stärker Linienmanager befähigt werden, ihrer Führungsrolle nachzukommen ohne in der Personalabteilung umständlich nach bestimmen Daten fragen zu müssen, desto stärker kann sich die HR-Funktion auf andere wertschöpfende Themen konzentrieren. Transaktionale HR-Prozesse werden zunehmend automatisiert, ganz abgeschafft, durch Self-Services auf die Betroffenen verlagert oder in HR Shared-Service Center ausgelagert. Damit gibt es Raum für Neues. Ist es nicht spannend, als Personaler das Prinzip einer agilen Organisation zu etablieren? Den Wissensaustausch, Innovationen und das Engagement zu fördern? Dazu beizutragen, dass in der Belegschaft eine offene Haltung zu Innovationen, Digitalisierung und disruptiven Veränderungen erzeugt wird? Ich gebe zu: Nicht alle Unternehmen wollen eine derartige Rolle des HR-Bereichs und auch nicht alle HR-Funktionen sind heute in der Lage, eine solche neue Rolle auszufüllen. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass es in diese Richtung gehen wird. Oftmals müssen auch die Funktionen HR, IT und Kommunikation noch enger zusammen arbeiten, damit die Prozesse, die die Digitalisierung in Gang setzt, gewinnbringend ausgeschöpft werden können.

Warum tut sich HR so schwer damit, seine Rolle in der digitalisierten Arbeitswelt zu finden?

Zunächst einmal waren wir Personaler abwartend, wie viele andere auch. Aber inzwischen ist das Thema ganz oben auf der HR-Agenda angekommen. Das zeigen die zahlreichen Konferenzen, Arbeitsgruppen und Initiativen an der Schnittstelle zwischen HR und Digitalisierung. Es ist für die HR-Bereiche auch nicht einfach, bei einem Thema wie der Digitalisierung Vorreiter zu sein. Denk nur an die notwendigen mitbestimmungsrechtlichen Abläufe oder den Datenschutz bei der Einführung digitalisierter Geschäftsmodelle. Oftmals ergeben sich allein aus den notwendigen innerbetrieblichen Abstimmungen dazu zeitliche Verzögerungen, die den Personalfunktionen oft angekreidet werden.

jens lang, hr, digitalisierung, silicon valley
Networking ist einfach im Silicon Valley – und macht Spaß. (Bild © Jens M. Lang)

Welche Schritte sind notwendig, damit HR wieder zum Treiber von Innovationen wird?

Letztlich muss der gesamte HR-Instrumentenkasten vor dem Hintergrund der Digitalisierung neu gedacht werden. In vielen Unternehmen besteht schon länger Unzufriedenheit über bestehende Führungsinstrumente. Die Aufwand-Nutzen-Relation von Mitarbeitergesprächen und Zielvereinbarungen oder alle zwei, drei Jahre stattfindende 360-Grad Feedbacks werden immer öfter hinterfragt. Warum setzen wir als Feedback Instrument nicht eine pfiffige App ein, über die die Mitarbeiter regelmäßig Feedback geben können? Natürlich sollte dies nicht ungesteuert geschehen und man braucht Leitplanken und transparente Umsetzungshinweise für alle Nutzer. Aber auf der Skala zwischen täglichem direkten Feedback einerseits und einem 360-Grad Feedback nach einigen Jahren andererseits sehe doch eine große Bandbreite.

Wir müssen auch die etablierten Prozesse zur Besetzung von (Führungs-)Positionen überdenken. Hier sollten Kollegen einbezogen werden, Vorschläge möglich sein und die Einschätzungen der Mitarbeiter bei der Stellenbesetzung berücksichtigt werden. Führungskräfte müssen ja nicht gleich überall gewählt werden. Aber es ist sicher hilfreich, den Prozess insgesamt zu überdenken.

Wenn die HR-Funktion diese HR-spezifischen Instrumente dann auf Basis von innovativen Technologien, Apps oder Gamification Tools weiterentwickelt, dann wird man als Treiber von Innovationen auch anerkannt. Kurzum: wie brauchen einen Frühjahrsputz unserer HR-Instrumente, der sowohl die HR-seitige Konzeption und Zielsetzung als auch die IT-seitige Umsetzung beinhalten muss.

Wie beeinflusst die Digitalisierung die Kultur in Unternehmen? Ist ein Kulturwandel Voraussetzung oder Folge der Digitalisierung?

Die Digitalisierung beeinflusst schon jetzt die Kultur in Unternehmen. Reverse Mentoring Konzepte, bei denen beispielsweise Auszubildende erfahrene Führungskräfte im Umgang mit IT-Anwendungen schulen, sind immer öfter anzutreffen. Sie stehen beispielhaft für einen sichtbaren Kulturwandel.

Als Kernpunkt für den Erfolg von Unternehmen erscheint mir, dass eine Kultur herrscht, bei der eine digitalisierungs- und innovationsfreundliche Haltung der Beschäftigten im Unternehmen gefördert wird. Ein Blick auf all die disruptiven Geschäftsmodelle zeigt, dass es nicht mehr ausreicht, Bestehendes besser zu machen. Kultur und Digitalisierung beeinflussen sich aus meiner Sicht also gegenseitig.

Jens, Danke dass Du Deine spannenden Erfahrungen aus dem Silicon Valley mit uns geteilt hast. Ich freue mich  schon sehr auf die gemeinsame Zusammenarbeit und vielen Impulsen für die Beratung unserer Kunden.

 

Über Dr. Jens M. Lang

jens lang, hr, silicon valley
© Jens M. Lang

Dr. Jens M. Lang war viele Jahre in HR-Funktionen großer Unternehmen wie der Deutschen Lufthansa, DuPont oder der Deutschen Bahn tätig. Als Personalleiter der Lufthansa Systems AG begleitete er das erfolgreiche Outsourcing der IT-Infrastruktur bevor er als geschäftsführender Gesellschafter der OPEN-HR GmbH Beratungsprojekte auf dem Gebiet von HR und Digitalisierung durchführte. Seine Leidenschaft gilt den konzeptionellen HR-Themen und deren Umsetzung. Seit 01. Juni 2015 fungiert er als Senior Transformation Manager bei der Haufe-umantis AG.

Teile diese Story

2 Kommentare zu “„Die Digitalisierung bietet viele Chancen für HR“ – Dr. Jens Lang im Interview

  1. Hallo, das ist ein spannender Beitrag und ein guter Ansatz, sich neue Impulse direkt aus den Hubs zu holen. Was ich mich dann nur frage ist – wie bekommt man solche Anreize dann auch zu den anderen Kollegen transportiert, die nicht dabei waren?! Leider kann man ja meist nicht alle mitnehmen.

    1. Hallo Anne,

      danke für Dein Feedback. Oft ist die Einschätzung richtig, leider können meist nur eine ausgewählte Gruppe an Teilnehmern mitfahren. Jedoch, wir haben für komplette Teams, Talentprogramme oder Business Units diese Art von Learning Journeys durchgeführt (bis zu 20-25 Teilnehmer einer Firma). Die Teilnehmer haben immer die Aufgabe vom „öffnenden“ inspirierenden in den „schließenden“ transferierenden Modus zu kommen. Es muss von Beginn an klar sein (und daran arbeiten wir in den Journies), daß ein Transfer stattfinden muss. Ansonsten wären die doch hohen Investitionen nicht wirkungsvoll für das Unternehmen eingesetzt. Dies kann beginnen von Reise-Tagebüchern (Blogs), Umsetzung von erlernten Methoden, ersten Prototypen von Ideen/Services usw. und sehr konkreten Transfermaßnahmen/events im Unternehmen. Es liegt hier wirklich an der Kreativität der Personen und der Einbettung der Maßnahme, die NIE losgelöst stattfinden sollte sondern immer als Bestandteil einer klaren Zielsetzung (neues Geschäftsmodell, neue Produkte/Services, neue Kultur, Inspiration für Innovation o.ä.) … ansonsten wäre es reiner Urlaub und Valley Tourismus.

      Beste Grüße
      Stephan

Kommentiere diese Story

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ich habe die Datenschutzhinweise gelesen und erkläre mich mit der Speicherung meiner Daten einverstanden.*