Wir lernen gerade sehr schnell. Die Corona-Krise ist ein Beschleuniger für uns, sich neue Skills anzueignen. Im Homeschooling lernen Eltern und Kinder, in der neuen Situation mit neuen Medien zu arbeiten. Wissensarbeiter erleben durch Social Collaboration sowie Video- und Online Conferencing auf Distanz miteinander zu interagieren. All das ist nicht neu. Die Technologien dazu gibt es seit über zwei Jahrzehnten. Der Reifegrad der Anwendung war bis dato aber höchst unterschiedlich. Nun kommt alles für alle zur gleichen Zeit zum Einsatz. Das Gute daran: wir lernen alle miteinander und befinden uns zeitgleich im selben Experimentierraum. Das hat es zuvor noch nie gegeben.
In diesem Beitrag widme ich mich der Umsetzung von digitalen Events und der digitalen Interaktion. Gerade in den letzten Wochen mussten wir bei einigen unserer Kunden sehr schnell reagieren und geplante Präsenzformate virtuell neu gestalten.
Digitale Events: von der Führungskräftekonferenz bis zum Start Up Wochenende
Ich habe länger überlegt, wann und wie ging das bei mir eigentlich alles los? Ende der 90er Jahre, das war die Zeit von Second Life und der Dotcom-Euphorie, vielleicht erinnert sich der ein oder andere noch daran?
Zu der Zeit haben wir die ersten virtuellen Online-Messen im Recruiting umgesetzt. Ein damals neues, großartiges Experiment. Wir haben Erfahrungen gesammelt, wie man mit Avataren interagiert und mit Bewerbern Dialoge in virtuellen Räumen führt. Die Zeit war auch die Anfangsphase des E-Learning. Die ersten Learning-Plattformen schossen aus dem Boden, physische Lerninhalte ins Web zu bringen. Damals war noch alles in den Anfängen der Technologie und der Nutzungsserfahrungen, dennoch getrieben von großem Pioniergeist sich digital zu entdecken und miteinander zu interagieren. Heute wissen wir sehr genau, wie man Technologie, Content und Interaktion digital orchestriert.
In den letzten zehn Jahren habe ich für meine Kunden viele digitale Events designed und in der Umsetzung begleiten dürfen. Davon möchte ich einige ausgewählte vorstellen und meine Erfahrungen mit Euch teilen. Events dieser Art benötigen verschiedene skills und gute verlässliche Partner, die ich jeweils als Begleiter und/oder Umsetzer für die Formate eingebunden habe.
Die 25/75 Formel: Technologie ist nicht alles
Einige Formate, die ich aktuell erlebe, sind zwar gut gemeint, aber sie verfehlen ihre Wirkung. Andere, bei denen Profis und kreative Macher am Werk sind, erzeugen ihre Wirkung. Dabei sei zum Beispiel der Hackathon der Bundesregierung #WirvsVirus genannt, der Mitte März mit über 1.500 Teams und 800 Herausforderungen einen Weltrekord in der virtuellen Welt aufgestellt hat. Ja, auch Deutschland kann Vorbild sein in der digitalen Welt, so hat es Helge Braun, Chef des Bundeskanzleramts formuliert.
Ein digitales Event heißt nicht, einfach den analogen Content nun in einer Videokonferenz abzubilden. Nicht jede Technologie eignet sich für alles. Nicht jeder analoge Content passt in ein digitales Format. Ein digitales Format braucht sein eigenes Design, seine Dramaturgie, sein Narrativ, seine Akteure, seine Profession, seine Zielsetzung, kurz: seinen eigenen Spirit.
Ein digitales Event hat vier Ebenen und unterschiedliche Bausteine, die wir gezielt miteinander verbinden können. Bei der Konzeption virtueller Formate solltest Du jeweils (mindestens) folgende Fragen beachten:
- Content
- Was möchte ich transportieren?
- Wie muss ich Content designen, der virtuell ist?
- Wer präsentiert und wie gut sind die virtuellen Präsentations-Skills?
- Sind die Akteure geschult und beherrschen sie ihr virtuelles Handwerk?
- Wie passt das virtuelle Bild und die Umgebung der Akteure zum Inhalt?
- Community
- Wen spreche ich an, wer ist/sind meine Zielgruppe/n?
- Was möchte ich mit der/den Zielgruppe/n erreichen: Information, Interaktion, Entscheidungen, kreativen Output oder ähnliches?
- Wie erreiche ich meine Community: Kommunikationskanäle, globale Audience und Zeitzonen, Feedback, Registrierung, Vorbereitungen, Beteiligung und Weiteres?
- Formate
- Welche Formate eignen sich für welches Ziel und Zielgruppe?
- Formate im Digitalen sind in der Umsetzung unterschiedlich zum Analogen: zum Beispiel 1:1-Sessions, Kleingruppen-Arbeit, Impulse, Case-Erarbeitung, Breakout Sessions, gemeinsame Kollaboration, Bewertungen, Abstimmungen, Diskussionen, Panels, Coachings, Prototypen bauen, kreative Sessions, Texte, Use Cases oder Podcasts.
- Dauer des Events: von kurzen Impulsen bis mehr tägigen Online Festivals.
- Technik
- Welche Technik setze ich für welches Format ein?
- Was ist die führende Plattform: broadcaste ich zum Beispiel aus einem Studio oder bin ich komplett virtuell?
- Wie schaffe ich durch Technik eine emotionale Verbindung zu meiner Marke oder einem Ort?
- Nutze ich Komplettlösungen oder baue ich mir meine Architektur aus Standardbausteinen?
- Wie kombiniere ich Technologien: Video, Chat, Collaboration, Radio, Streaming, Broadcasting…?
Die 25/75 Formel bedeutet: die Technik macht rund ein Viertel einer gelungenen Gesamtveranstaltung aus.
Crowd Storming: Wissen wächst, wenn man es teilt
Crowd Innovation hat unter den digitalen Events in den vergangenen fünf Jahren einen berechtigten Boom erfahren. Wissen wächst, wenn man sich darüber austauscht, wenn man gemeinsam nach kreativen Lösungen sucht, wenn man seine Erfahrungen miteinander teilt, und wenn man über Fehler spricht und sie analysiert.
Folgende drei Formate zeigen, wie kollektive Intelligenz im Kleinen wie im Großen digital genutzt werden kann. Alle Formate sind in der Teilnehmerzahl beliebig skalierbar, von einigen wenigen bis zu vielen tausend Beteiligten.
Jams
Digitale Großgruppenkonferenzen nennt man auch JAMs und sind aus einem modernen New Work Management in Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Im Video seht Ihr den Ablauf am Beispiel der Telekom JAMs. Das methodische Vorgehen und die technische Plattform wurde von meinem damaligen Team und mir aufgebaut und etabliert. Die größten JAMs haben wir im Konzern mit rund 25.000 Beteiligten in 50 Ländern durchgeführt. Basierend auf der JAM-Idee durfte ich 2019 den bundesweiten Online-Dialog der Techniker Krankenkasse mit insgesamt 14.000 beteiligten Mitarbeiter*innen designen und begleiten.
(Quelle: Stephan Grabmeier / YouTube; zum Abspielen klicken)
Crowd Storming
Die ForeWork Initiative, die wir im Netzwerk von jovoto ins Leben gerufen haben, ist ein digitales Open Innovation-Projekt. Mit der globalen Talent Community von jovoto haben wir Ideen und Lösungen zur Zukunft der Arbeit erarbeitet. In insgesamt drei Projekten mit unterschiedlichen Fragestellungen haben sich Hunderte von Kreativen aus über 150 Ländern beteiligt. Das letzte Crowd Storming-Projekt „Turn Learning into Impact“ haben wir Anfang 2020 abgeschlossen (Infos und Ergebnisse findet Ihr unter dem Link). Beteiligte Unternehmen bei ForeWork sind unter anderem die Deutsche Telekom AG, adidas, vitra, Thyssen Krupp, VW, Deutsche Bank und einige mehr. Eindrücke aus einem unserer ersten Ergebnisworkshops nach dem virtuellen Crowd Storming seht Ihr im Video:
(Quelle: Stephan Grabmeier / YouTube; zum Abspielen klicken)
Social Forecasting
Eine der effizientesten Methoden zur Entfaltung kollektiver Intelligenz sind Prognosemärkte, oder auch Social Forecasting genannt. Wir wissen: 15 von 16 Entscheidungen, die im Kollektiv getroffen werden, sind besser als isolierte Expertenmeinungen. Durch Social Forecasting können schnelle zu prognostizierenden Fragestellungen mit hunderten oder tausenden von Menschen getroffen werden. Mit meinem Partner CrodWorx habe ich dazu spannende Projekte, unter anderem mit VW, der Bundesagentur für Arbeit und der Deutschen Telekom umgesetzt, beziehungsweise Social Forecasting als partizipative Arbeitsmethode im Unternehmen etabliert. Das wirkungsvolle: Social Forecasting ist eindeutig messbar. Mit der Methode haben wir Werte von über 83 Prozent Prognose-Genauigkeit bei vielen hunderten Anwendungsfällen erzielt. Das Video zeigt die Idee der Umsetzung bei der Deutschen Telekom AG:
(Quelle: Stephan Grabmeier / YouTube; zum Abspielen klicken)
Digitale Events: Verweben von Technologie, Inhalt und Didaktik
Wie hybride also digital und analog gekoppelte Events funktionieren habe ich schon öfter beschrieben, hier ist zum Beispiel ein Erfahrungsbericht zur Jahreskonferenz mit der DGFP nachzulesen. Dabei haben wir mit den Kollegen*innen von KLUBHAUS und nextpractice in zwei Onlinesessions mit rund 90 Teilnehmer*innen die DigiLog-Veranstaltung mit 300 Personen vorbereitet und alle erarbeiteten Inhalte digital und partizipativ über eine Plattform organisiert, durchgeführt und die Ergebnisse am Ende zur Verfügung gestellt. Ähnliche Events haben wir mit Enercity (Begleitung des Vorstands in der Konzern Strategieentwicklung) mit 1.400 Beteiligten und der AXA Versicherung (Begleitung des Vorstands im Kultur- und Werteprojekt) mit rund 600 Beteiligten im DigiLog Format umgesetzt.
Erst vor kurzem hat die Firma Henkel durch die Unterstützung von KLUBHAUS seine globale Führungskräftekonferenz mit 550 Mitarbeiter*innen binnen kürzester Zeit in ein interaktives Format gebracht. Dazu wurde im Design des Kunden ein gebrandetes TV Studio, drei Bühnen für je unterschiedliche Formate und die nextmoderator Interaktionsplattform, über die alle Beteiligten arbeiten und kreativ sein konnten implementiert. Wie Henkel-CEO Carsten Knobel seine erste virtuelle Konferenz fand, lest Ihr hier bei LinkedIn.
Wie LEGO als eines der kreativsten Unternehmen der Welt die Idea Conference der LEGO Stiftung mit Teilnehmer*innen aus der ganzen Welt ins Netz gehoben hat, global seine Speaker eingebunden und kreativ miteinander interagierte, ist auf der Idea Conference Website gut zu sehen. Im Team der Agentur circ, die für die Umsetzung verantwortlich war, ist uns nicht nur ein tolles digitales Event gelungen, sondern auch eine besondere Inszenierung der Marke.
Es ist heute auch kein Problem, ein TV Studio und seine Akteure komplett in den virtuellen Raum zu heben und wirkungsvolle digitale Events im Design einer Marke zu gestalten. Die ersten Formate dazu setzen wir gerade auf.
Radio5.0: die Kraft des Zuhörens
Nun kann man meinen, Events könne man nur auf den Bildschirm oder in einen virtuellen Raum übertragen. Nein, neben visueller Technik nutzen wir auch Audio. Wir sind große Fans von Audio als Lernmedium in Change-Projekten. So durften wir im Team der Agentur circ kürzlich für einen globalen Konzern eine Radiostation umsetzen. Die Herausforderung war: Wie können wir europaweit mehr als 70.000 Mitarbeiter, davon rund die Hälfte in Deutschland, aus 15 Ländern in zehn verschiedenen Sprachen zeitgleich miteinander verbinden. Unsere Antwort: Radio 5.0.
Richtig, kein TV-Studio, sondern einen Corporate Radio Sender. Das Radio wurde in zehn Sprachen und auf 13 Kanälen gestreamt. 24 Stunden lang, davon zehn Stunden Live-Moderation, geführt von drei Moderatoren und 14 Co-Moderatoren. 20 simultane Übersetzer verfolgten und übersetzten das Programm in die jeweilige Landessprache. Binnen 24 Stunden sind 500 Beiträge entstanden.
Mit diesem Radioprojekt haben wir ein neues digitales Format ins Leben gerufen. Nicht nur wegen der aktuellen Situation, sondern auch wegen der unglaublichen Wirkung für alle Beteiligten werden wir Radio 5.0 sicher noch viel öfter umsetzen.
Schüler-Start-up-Wochenende
Mit unserer NGO Next Entrepreneurs veranstalten wir pro Jahr rund 25 bis 30 Events. Offene Start-up-Wochenenden mit Schülern oder spezielle Gen Z-Formate mit Unternehmen: So zählen zum Beispiel SAP, Messe München, Deutsche Bahn oder Drees&Sommer zu den Firmen, die gezielt mit unseren Innovations Methoden die Gen Z in die Entwicklung von neuen Services, Produkten oder neuen Ideen einbindet.
Vor drei Wochen haben wir erstmals ein digitales Start-up-Wochenende mit Schüler*innen durchgeführt, was eine echte Herausforderung war. Alle Eltern im Homeschooling-Modus können sicher mitfühlen. Dennoch: Es war ein großer Erfolg. Wir hatten aufgrund der kurzfristigen Absage für eine physische Durchführung wenig Zeit und binnen 24 Stunden waren wir digital am Start. Am Freitagnachmittag trafen sich die Schüler und entwickelten ihre Ideen, die sie bis Sonntag virtuell im Team ausarbeiteten. Am Sonntagnachmittag hat eine Jury die Ideen bewertet und Feedback für die Teams gegeben. Einen kleinen Eindruck findet Ihr in diesem LinkedIn-Artikel. Wie wir mit den Kids arbeiten und Lösungen kreieren, seht Ihr im Video am Beispiel der iMobility Messe:
(Quelle: i-Mobility / YouTube; zum Abspielen klicken)
Next Generation of Corporate Learning
Fragestellungen wie im ForeWork-Projekt zu „Turn Learning into Impact“ werden von Unternehmen berechtigt eingebracht. Viele Unternehmen suchen nach wirkungsvollen Lösungen, ihre Herausforderungen durch moderne Still-Entwicklungen zu lösen. Habt Ihr Euch auch schon mal gefragt, warum digitale Weiterbildung die letzten 20 Jahre nie so richtig funktioniert hat? Wir individualisieren Turnschuhe oder Müsli, aber digitales Lernen funktioniert noch eher wie Netflix? Beim Lernen sind, genau wie bei digitalen Events, die Technik oder der Content nicht alleine entscheidend. Es geht um den richtigen modularen Mix von Bausteinen, also die kuratierte Problemlösung. Ein kleiner Geheimtipp ist seit einigen Monaten mit EC3L am Start. Mehr denn je sind Unternehmen jetzt gefragt, organisationales und individuelles Lernen zu designen und in die Zukunft zu entwickeln. Das Team EC3L, bestehend aus Profis aus Wissenschaft und Digital Experten*innen, löst reale Probleme während des Lernens und vereint Personal- und Organisationsentwicklung. Die Nachfrage danach ist aktuell hoch, da einige Unternehmen gerade jetzt die Zeit nutzen, an der Zukunftsentwicklung ihrer Skills zu arbeiten.
Mit diesen Beispielen möchte ich zeigen, wie digitales Arbeiten, Lernen und digitale Events erfolgreich umgesetzt werden. Wichtig sind dabei die 25/75-Formel und der Mix von methodischen Bausteinen. Gerade jetzt können wir viel lernen, wenn wir Formate anders denken, neu designen und gemeinsam experimentieren, mit neuen Methoden und Technologien umzugehen. Wir haben einige coole Projekte vor der Brust und freuen uns darauf, Unternehmen die jetzt neue Wege gehen, dabei zu begleiten.
Ihr braucht einen Partner, der Euch hilft, Euer nächstes Event, die nächste Innovationsentwicklung oder Lernen in ein digitales Format zu bringen? Oder Ihr wollt jetzt Schüler*innen, also der Gen Z, die Chance geben, mit Euch in die Zukunft zu denken? Schreibt uns oder ruft uns an, wir sind jederzeit für Euch da. Wir freuen uns, wenn wir Euch begleiten dürfen.
Quelle Titelbild: © paul | stock.adobe.com
Sehr inspirierend. Würde mich gerne dazu einmal direkt austauschen