Ende August 2019 war ich mal wieder mit Hans Stoisser, Karin Krobath und Ecotec auf Learning Journey in Afrika. Diesmal ging die Reise nach Ruanda – ein Land, das bislang vor allem durch den verheerenden Bürgerkrieg in den 1990ern bekannt ist. Aber heute hat Ruanda für Unternehmen so einiges zu bieten: Ruanda ist das Versuchsfeld für Unternehmen, die neue Märkte testen wollen. Ruanda strotz vor Diversität mit einer Frauenquote im Parlament von über 62% ist es damit die Nr.1 in der Welt. Die digitalen Prozesse in den Behörden sind weltweit führend. Seit 2004 ist die Plastiktüte komplett verboten und Polyethylen-Plastik darf nicht mehr produziert werden. Kigali, die Hauptstadt ist eine der sichersten Städte der Welt, ganz davon abgesehen auch eine der saubersten in Afrika. Das Land entwickelt sich gerade sprunghaft von einer ländlichen Agrargesellschaft zu einer „Digital Society“. Das lockt viele innovative Unternehmen, die wir auf unserer Learning Journey nach Ruanda kennenlernen und besuchen durften.
ZIPLINE-Drohnen: 4 mal so schnell wie Amazon
Weil sie in USA keine Chance hatten Ihre Erfindung in den Markt zu bringen gingen sie nach Ruanda. Die US-Firma ZIPLINE (Silicon Valley) hat in Ruanda 2016 die erste Transport-Drohnen-Linie der Welt eingerichtet. Täglich fliegen vom Drohnen-Flughafen Muhanga 30-45 Drohnen ab. Von zwei Basis-Stationen in Ruanda aus transportieren sie Blutkonserven und medizinische Versorgungsgüter in ländliche Krankenhäuser und Gesundheitszentren. Die Drohnen sind damit für das Gesundheitssystem Ruandas schnell zu einem unverzichtbaren Teil der Logistik geworden.
Während der letzten zwei Jahre hat ZIPLINE Erfahrungen im Betrieb von Transport-Drohnen und den Organisationsprozessen gesammelt und diese weiterentwickelt. Mittlerweile sind die ZIPLINE-Drohnen viermal so schnell wie die von Amazon. Bald wird ZIPLINE seinen Service auch in den USA anbieten.
Nach mobile payment gelten Transport-Drohnen als zweitwichtigste moderne Technologie, die als erstes in einem afrikanischen Land entwickelt wurde, bevor sie in andere Länder exportiert wird.
Ruandas Strategie
Dass ZIPLINE sich ausgerechnet Ruanda als erstes Land ausgesucht hat, um seinen Betrieb aufzunehmen, ist kein Zufall. Das „Land der tausend Hügel” lädt Unternehmen dazu ein, dort Services zu erproben, die zur Entwicklung des Landes beitragen können.
Innovative Mobilität
Volkswagen hat deshalb eine „Assembling Factory“ ins Leben gerufen. Einzelteile von Autos werden von Südafrika nach Ruanda verschifft, wo sie gesammelt werden. Zudem hat VW zusammen mit lokalen IT-Firmen die neue Mobilitäts-App Move entwickelt. Heute fahren in der ersten Phase 250 VW Polos mit eignen VW Move Fahrern durch die Hauptstadt Kigali und können mit der neuen App gebucht werden.
Auch die ersten Elektroautos von VW werden bald in dem zentralafrikanischen Staat ankommen. Siemens und Bosch werden dazu das Netzwerk von Ladestationen in Kigali aufbauen.
Digital Healthcare
Auch Babyl, einen Ableger der britischen Firma Babylon Health, haben wir auf unserer Learning Journey besucht. Babyl hat in Ruanda während der vergangenen zwei Jahre einen digitalen Gesundheitsservice aufgebaut. In einem Land, wo es an Ärzten und Krankenschwestern fehlt, wo die Verkehrsinfrastruktur nur unzureichend ausgebaut ist, können digitale Online-Service einen unschätzbaren Vorteil für die Menschen bedeuten. Bislang wurden über Babyl schon 600.000 Menschen medizinisch beraten. Es arbeiten mehrer hundert Ärzte im Call Center und leisten unfassbaren Wert für die Einwohner. Die medizinische Versorgung ist durch die digitale Diagnose und Betreuung um ein hundertfaches besser geworden.
Smartphone made in Africa
Und dann gibt es noch Maraphone, das erste Smartphone aus afrikanischer Produktion. Die ruandisch-indische Firma startet demnächst die Produktion im Industriegebiet in Kigali. Wir haben die hochmodernen Maschinen und die Produktionsstraße besichtigt noch bevor die Fabrik ihren Start aufgenommen hat. Hochwertige Android-Smartphones werden von dort aus bald auf den ganzen afrikanischen Kontinent geliefert – und später in den Rest der Welt. Der afrikanische Markt bietet rund 1.,2 Mrd. Menschen. Nun kommt das erste Smartphone für diese Zielgruppe und den Rest der Welt. Meine vier Kollegen*innen auf dem Bild und ich sind die ersten Europäer, die ein Mara Phone erhalten (gekauft) haben, was uns schon ziemlich stolz macht 😉. Die Süddeutsche Zeitung hat am 11.10.2019 erstmals davon berichtet „Das unwahrscheinlichste Smartphone der Welt“.
Ruanda, das „Proof-of-Concept”-Land
Was haben all diese Unternehmen gemeinsam? Sie haben Ruanda ausgewählt, um ihren Betrieb aufzunehmen. Die Prototyp-Phase, in der es darum geht, neue Produkte, Services und Geschäftsmodelle zu testen, findet in Ruanda statt. Denn das Land bietet hier wichtige Vorteile:
- Ruanda entwickelt sich derzeit sprunghaft von einer ländlich geprägten Agrargesellschaft zu einer „Digital Society“. Dadurch bietet das Land eine „grüne Wiese“, wo sich echter Kundennutzen von modernen Services erforschen lässt.
- Im Vergleich zu Europa behindern in Ruanda deutlich weniger Regularien und organisierte Interessen die Entwicklung moderner Geschäftsmodelle.
- Ruanda hat eine stabile Regierung, die den privaten Sektor fördern möchte. Sie wirbt nicht nur für ausländische Investitionen – auch im Nachgang werden Investoren gefördert, damit ihre neuen Produkte und Geschäftsmodelle erfolgreich sind.
Ein einfacher Tausch: Wirtschaftsförderung gegen Entwicklung
Die Regierung bezeichnet Ruanda als „ländlich-verbunden“ statt „ländlich-abgeschieden“. In der Tat: In unserer sich entwickelnden vernetzten globalen Gesellschaft hat Ruanda seinen Wettbewerbsvorteil entdeckt Ruanda bietet für innovative und global agierende Unternehmen eine win-win-Lösung.
Proaktive Förderung durch die Regierung und lokale Märkte für die Entwicklung und das Testen innovativer Technologien und Geschäftsmodelle werden gegen die wirtschaftliche Entwicklung des Landes getauscht.
Suchen auch Sie nach neuen Märkten für Ihr innovatives Unternehmen? Und haben Sie im Gegenzug auch etwas für die Menschen in Ruanda zu bieten? Dann erkunden Sie neue Märkte in Afrika und kommen Sie mit auf die nächste Learning Journey nach Ruanda im Mai 2020 – oder besuchen Sie im Februar 2020 Kenias Hauptstadt Nairobi auf einer Learning Journey.
Quelle Titelbild: © Hans Stoisser
Dieser Beitrag ist orientiert an dem Blogbeitrag von Hans Stoisser.