Geschäftsperson im Business-Anzug hält Teil Modell von Landschaft und städtischer Skyline in den Händen, Geschäftsgebäude-Hintergrund
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The big picture (3): Der organisationale Purpose

Es liegt in der Natur des Menschen, einen Sinn in seinem Leben zu finden. Für die Wirtschaft gilt: Unternehmen, deren Handeln auf einem Sinn aufbaut die Next Generation of Business schaffen größere Werte für die Gesellschaft und Natur – und sie überdauern somit länger. Systemisch betrachtet ist Purpose der stabile Orientierungsrahmen in einem komplexen System, der selbst bei größter Unsicherheit jederzeit Orientierung gibt.

Purpose hat drei Dimensionen: Gesellschaftlich, in der Organisation und Individuell
(Bild: © Stephan Grabmeier)

Meine Purpose-Trilogie begann im ersten Teil mit „Purpose in der Gesellschaft“. Im zweiten Teil habe ich den individuellen Purpose betrachtet. In diesem Beitrag steht der organisationale Purpose, also der von Unternehmen in der Sinnökonomie, im Fokus. Um nahtlos anzudocken, empfehle ich Ihnen, die ersten beiden Teile vorab zu lesen. Ich bin sicher, die Purpose-Fans unter Ihnen haben das schon lange getan. Wenn nicht: Dann los, hier geht es zu

Hinweis: Ab sofort steht die komplette Purpose-Trilogie als Whitepaper zum kostenfreien Download zur Verfügung. Hier geht’s direkt zum Download.

Unternehmen dienen keinem Selbstzweck

Die Gleichung im planetaren Kontext für Wirtschaftsunternehmen ist klar. Ein Planet mit endlichen Ressourcen verträgt kein unendliches Wachstum. Die Ökonomik der letzten 250 Jahre kalkuliert mit der Logik des unendlichen Wachstums und hat uns in die bedrohliche Situation geführt, in der wir heute leben. Dies zeigt sich unter anderem am Ergebnis des Earth Overshoot Day – dem Erdüberlastungstag. Die Kalkulationen zeigen, welches Land zu welchem Zeitpunkt im Jahr die Ressourcen des Planeten aufgebraucht hat. Demzufolge hat Deutschland dieses Jahr bereits am 3. Mai 2020 alle planetaren Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen, verbraucht. Würden alle Menschen mit den Ressourcen genauso umgehen – so wie es wir in Deutschland tun – bräuchten wir drei Erden. Wir liegen global an dritter Stelle, vor uns liegen lediglich Australien mit 4,5 Erden und USA mit fünf Erden.

Dieses Jahr gibt es ein positives Zeichen, zwar nicht menschengemacht, aber für die Rettung des Planeten förderlich. Auf globaler Ebene ist der diesjährige Earth Overshoot Day am 22. August mehr als drei Wochen später als letztes Jahr. COVID-19 hat den ökologischen Fußabdruck der Menschheit vorübergehend leicht geschrumpft. Das zeigt: Es ist möglich, den Ressourcenverbrauch innerhalb kurzer Zeit zu verändern. Echte unternehmerische und gesellschaftliche Verantwortung, die das Wohlergehen aller auf dieser Erde auch langfristig ermöglicht, kann jedoch nur durch neues politisches und ökonomisches Design erreicht werden, nicht durch Desaster.

Die COVID-19-bedingte Verringerung des ökologischen Fußabdrucks ist jedoch weit entfernt von den beabsichtigten Veränderungen, die erforderlich sind, um sowohl ökologisches Gleichgewicht herzustellen als auch das Wohl der Menschen zu erhöhen. Das sind die zwei untrennbaren Komponenten der Nachhaltigkeit und jeder unternehmerischen Verantwortung.

Country Overshoot Days 2020 mit der Indikation, wann welches Land die Ressourcen der Erde aufgebraucht hat oder haben wird
Die Grafik zeigt nach Ländern, zu welchem Zeitpunkt im Jahr welches Land die Ressourcen bereits aufgebraucht haben wird. Hier klicken für größere Ansicht. (Quelle: Overshootday.org)

Die Next Generation of Business

Das neue ökonomische Spiel ist ein Aufbruch in eine bessere Wirtschaft:

  • weg von der Abfall-, hin zur Kreislaufwirtschaft;
  • weg von der Value Chain, hin zum Value Network;
  • weg von Zielen, hin zu Purpose.

Jede Zeit bringt ihre Wirtschaftsform hervor, und nun ist die Zeit für eine bessere Ökonomie angebrochen, in der sich Unternehmen weiterentwickeln, ausgestattet mit neuen Modellen der systemischen Organisationsbetrachtung (statt einer eingeschränkten Betriebswirtschaft) und im Wissen um einen Planeten, der endgültig unsere Aufmerksamkeit braucht. „People, Planet & Profit“ – der Tripple Bottom Line-Ansatz so lautet die Maxime dieser nächsten Business-Generation.

People on a Mission

Es gibt nichts Stärkeres als „People on a Mission“. Doch bei herkömmlichen Unternehmen endete der Missionsgedanke allzu oft beim Profit. Die Unternehmen der nächsten Generation sind dagegen immunisiert, weil die Formel „People, Planet & Profit“ ihre Mission außerhalb der Unternehmensgrenzen platziert. Es geht also um das, wonach wir alle streben: Sinnhaftigkeit, Kongruenz, (Selbst-)Wirksamkeit in der Welt. Aber, so könnte man nun fragen: Ist Sinnhaftigkeit wirklich die Aufgabe von Unternehmen? Ist das nicht ein bisschen zu viel verlangt für Schraubenhersteller, Internetprovider, Hoteliers, Pumpenmonteure oder Autohändler? Nein, im Gegenteil. Denn die Next Generation of Business begründet sich nicht in der Tätigkeit. Egal, ob es um Schaukeln, Autoteile oder Roboter geht: Es ist der innere Drang eines Unternehmens, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, der Menschen zu Höchstleistungen antreibt – und Marken erfolgreich macht.

Vom WAS über das WIE zum WOFÜR

Purpose ist in der Next Generation of Business der Ankerpunkt verantwortungsvoller Unternehmens- und Markenführung. Das Purpose-Statement antwortet auf die Frage, wofür es ein Unternehmen gibt. Insbesondere die immer komplexeren Veränderungsdynamiken stellen Marken vor die Herausforderung eines fundamentalen Wertewandels in Richtung

  • Sinnhaftigkeit,
  • Nachhaltigkeit
  • Wir-Kultur.

Der Purpose bestimmt zahlreiche grundlegende Faktoren, wie etwa

  • die Arbeitsweise eines Unternehmens,
  • die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf die Gesellschaft und den Planeten,
  • die Abwägung der Güter und Produktionsverfahren,
  • einwandfreie Lieferketten,
  • Einhaltung der Menschenrechte,
  • die Attraktivität für hochkarätige Bewerber*innen,
  • und nicht zuletzt: die Motivation der Mitarbeitenden.

Die Beschäftigung mit der Bestimmung ist für Unternehmen aus der Shareholder Value-Welt mitunter sehr mühsam. Das ist unter anderem dem geschuldet, dass diese Neu-Bestimmung den Lehren Milton Friedmans zu Wirtschaft und Gesellschaft aus dem Ende der 1960er Jahre so fundamental widerspricht. In seinem Buch Kapitalismus und Freiheit schrieb der einstige Ökonom, die einzige Verantwortung für Unternehmen sei, ihre Ressourcen zu nutzen und ihren Profit zu vergrößern. Oder reduziert auf seinen berühmt gewordenen Leitsatz: „The purpose of business is business“ – „Der Sinn von Wirtschaft ist Wirtschaft“. Seit jeher ist diese Aussage falsch und entspricht der Ideologie einer eingeschränkten Mikro- und Makroökonomik.

Eine Trendwende zeichnet sich immer deutlicher ab. Purpose-orientierte Marken steigern ihren Wert im Durchschnitt doppelt so schnell wie der Wettbewerb. Denn:

  • Ihre Mitarbeitenden sind produktiver,
  • Ihre Kund*innen sind treuer, und
  • ihre finanzielle Resilienz ist stabiler

als die ihrer weniger verantwortungsvollen Konkurrenten. Dies hat selbstverständlich einen wesentlichen Einfluss auf verschiedene messbare Ergebnisse (1):

  • Kundenzufriedenheit: Die Kaufentscheidungen von Kund*innen werden maßgeblich davon beeinflusst, welche Aussagen und Werte die Mitarbeitenden vertreten (circa 65 Prozent). Bei der Auswahl von Konkurrenzangeboten (Preis und Qualität gleichbleibend) würden die meisten Kund*innen die Marke wechseln, wenn sich diese für entsprechende Sinn- und Nachhaltigkeitsbelange einsetzt (80 Prozent).
  • Mitarbeiterengagement: Bei Mitarbeitenden, die sich mit ihrer Arbeit identifizieren und etwas bewirken können, steigt die Produktivität um 20 bis 30 Prozent. Wenn der Job sie erfüllt, profitiert auch die Bindung der Mitarbeitenden: So verdoppelt sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie mehr als fünf Jahre beim Unternehmen bleiben.
  • Ergebnisverbesserung: Innerhalb eines Drei-Jahres-Zeitraums wachsen 58 Prozent der Purpose-orientierten Unternehmen mit mehr als zehn Prozent. Auch sinken die Kapitalkosten deutlich bei Unternehmen, die sich entsprechend für soziale und Nachhaltigkeitsbelange engagieren (um 13 Prozent).
  • Unternehmensstabilität: Unter allen S&P 500-Unternehmen schneiden Unternehmen, für die der „Nutzen für alle Stakeholder“ im Zentrum steht, 14-mal besser ab. Betrachtet man den Total Return to Shareholders aller Unternehmen, gehen davon 44 Prozent auf Purpose-orientierte Unternehmen zurück, obwohl diese lediglich 27 Prozent der Unternehmen ausmachen.

Mit anderen Worten: Purpose ist ein ernstzunehmender Wirtschaftsfaktor. Der Sinn und der Zweck definieren den Kontext allen Handelns.

Aktive Gestalter der Next Generation of Business

Sinngetriebene Marken verstehen sich als aktive Gestalterinnen der Gesellschaft. Sie wollen dezidiert einen gesellschaftlichen Mehrwert generieren. Dieses aktive Element ist das Entscheidende. Es reicht nicht aus, lediglich die negativen Auswirkungen des eigenen Handelns einzuschränken, etwa im Rahmen einer Corporate Social Responsibility (CSR), oder nur auf gesellschaftlichen Wandel zu reagieren. Vielmehr geht es darum, mit dem unternehmerischen Handeln selbst aktiv etwas zu verändern, auf Grundlage klar gesetzter Werte. Die Gewinnerzielungsabsicht steht gleichberechtigt neben dem Anspruch, positiv zum gesellschaftlichen Gemeinwohl und zu einer gesunden Umwelt beizutragen.

Tausende verantwortungsvolle Unternehmer*innen zeigen, dass es anders geht. Ich möchte hier zwei Bewegungen vorstellen, die in den letzten Jahren eine enorme Wirkung zugunsten des enkelfähigen Wirtschaftens initiiert haben.

Gemeinwohlökonomie

Die Gemeinwohlökonomie (GWÖ) etabliert ein ethisches Wirtschaftsmodell. Das Wohl von Mensch und Umwelt wird zum obersten Ziel des Wirtschaftens. Sie ist ein Veränderungshebel auf wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Ebene. In der GWÖ dient die Gemeinwohlbilanz der Ausrichtung eines Unternehmens nach ganzheitlichen Aspekten. Bis heute haben sich mehr als 2.200 Unternehmen dem Modell der GWÖ angeschlossen. Über 500 Unternehmen bilanzieren nach der Gemeinwohlbilanz. Alle diese Bilanzen sind öffentlich einsehbar. Mehr Informationen finden Sie unter Gemeinwohlökonomie: Ein Wirtschaftsmodell mit Zukunft.

Christian Felber, der Gründer der Bewegung, erklärt das Konzept der Gemeinwohlökonomie in diesem Video:

(Quelle: © ecogood / YouTube; zum Abspielen klicken)

B Corporations – Unternehmertum verpflichtet

B Corporations sind Unternehmen, die sich in ihren Statuten zu gesellschaftlichem Mehrwert und ökologischer Nachhaltigkeit bekennen. Ihr Grundsatz: „Wir wollen nicht die besten Unternehmen der Welt, sondern die besten Unternehmen für die Welt sein.“ In einem rigorosen Testverfahren lassen sie

  • Unternehmensführung
  • Rechte der Mitarbeitenden
  • Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und Kund*innen

messen. Seit der Gründung im Jahr 2006 gibt es mittlerweile in mehr als 65 Ländern über 3.600 zertifizierte B Corporations, darunter unter anderem

  • Patagonia
  • Danone
  • Einhorn
  • Ecosia.

Die weltweite B-Corp-Community deklariert das Ende des Shareholder-Ansatzes, in dem alle Aktivitäten eines Unternehmens auf Gewinnmaximierung um jeden Preis zugeschnitten sind. Mehr Informationen finden Sie unter Certified B Corporation: About B Corps.

Das Big Picture fängt beim Purpose an

Mit der Trend Canvas des Zukunftsinstituts möchte ich Ihnen ein wirkungsvolles Instrument vorstellen, wie Sie Ihr Business Big Picture strukturiert entwickeln können.

Trend Canvas Vorschaubild
Die Trend Canvas des Zukunftsinstituts. Hier klicken für größere Ansicht. (© Zukunftsinstitut)

Die Trend Canvas ist ein neuer Standard, um Wirkungen und Potenziale von Trends auf das eigene Unternehmen zu analysieren. Sie ist als Framework der Formtheorie konzipiert und dient als Fundament für strategische Zukunftsentscheidungen.

Jede abgebildete Dimension stellt einen Kontext des Systems dar. So ist das Produkt das Angebot, sowohl physisch als auch in Form einer Dienstleistung. Dieses benötigt spezifische Verfahren, welche eine Organisation und seine Identität bedingen. Diese individuelle Welt ist wiederum Teil eines Markts mit Kund*innen und – unter anderem auch – Mitbewerbern. Sie interagieren in einem Wirtschaftssystem, welches selbst Funktion einer Gesellschaft ist. Und diese Gesellschaft gibt es nur, weil der Mensch – das Individuum mit all seinen Grundfesten und -bedürfnissen – existiert. All diese Kontexte finden im äußeren Rahmen der Natur statt.

Hier finden Sie eine Anleitung, wie Sie mit Ihrem Team die Grundlagen Ihres Big Picture am Beispiel der COVID-19 Impact Analyse erarbeiten können. Die Trend Canvas können Sie auch unter Downloads auf dieser Seite herunterladen.

Ihr Weg zur Sinnökonomie

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, wenn Sie sich auf den Weg machen, den Purpose für Ihr Unternehmen zu definieren. Wir begleiten seit Jahren Unternehmen, Institutionen, NGOs und deren Führungskräfte dabei.

  • Stellen Sie sich immer die Frage: Wofür gibt es Ihr Unternehmen?
  • Oder die Kontrollfrage: Was würde der Gesellschaft fehlen, wenn es Ihr Unternehmen nicht gäbe?

Haben Sie darauf ad hoc keine Antwort, dann sollten Sie jetzt starten und sich mit Ihrem Purpose und dem Big Picture beschäftigen.

Dies ist der dritte und abschließende Teil meiner Purpose-Trilogie. Sofern Sie die ersten beiden Teile meiner Purpose Trilogie noch nicht gelesen haben, diese finden Sie hier:

#Purposematters

Hinweis: Ab sofort steht die komplette Purpose-Trilogie als Whitepaper zum kostenfreien Download zur Verfügung. Hier geht’s direkt zum Download.

(1) Quellen der Studien: The Link Between Job Satisfaction and Firm Value; IBM Analytics; Fortune; Firms of Endearment; HBR; Deloitte: Becoming irresistible; McKinsey Quarterly

(Quelle Titelbild: © adam121 | stock.adobe.com)

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