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Innovation – die 3-Horizonte und der blaue Ozean

Alle Unternehmen wollen wachsen und groß werden. Aber trotz Ihrer Größe und Ihres Gewichtes müssen sie wendig, flexibel und innovativ bleiben. Nur so sind langfristiges Wachstum und kontinuierliche Anpassung möglich. Mit dem 3-Horizonte-Modell können Unternehmen integriertes Wachstum sicherstellen. In der Praxis ist das nicht so einfach, wie es in der Theorie klingt. Aber es lohnt sich, sich mit dem 3-Horizonte-Modell und damit mit der Zukunftsfähigkeit des eigenen Unternehmens auseinanderzusetzen.

Blue Ocean vs. Red Ocean

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Während Innovationen fleißig gefüttert werden, muss das Tagesgeschäft oft mit knappen Ressourcen auskommen. (Bild: © mhaprang – fotolia.com)

Ich war bis vor einigen Jahren noch ein Verfechter der Blue Ocean Strategie, die Mitte der 2000er Jahre von W. Chan Kim und Renée Mauborgne an der INSEAD Business School entstanden ist. Dabei trennt man strikt in „rote Ozeane“, dem harten Wettbewerb im verdrängenden Kerngeschäft und „blaue Ozeane“, der Entwicklung neuer Produkte und Zielgruppen. Dieser Grundlogik folg(t)en viele Unternehmen. Am deutlichsten sieht man die Ausprägungen in sogenannten Digital Labs, Company Builders, Acceleratoren oder Incubatoren. Über die Hälfte der DAX Konzerne pflegen mittlerweile Arten dieser Labs in Berlin, Tel Aviv, Silicon Valley oder an anderen Innovations Epizentren in der Welt. Diese Übersicht zeigt die 20 wichtigsten Labs der Deutschen Wirtschaft in Berlin.

Blue Ocean alleine reicht nicht aus

Während wir heute mit dem 3-Horizonte-Modell arbeiten (mehr dazu weiter unten), haben auch wir bei Haufe uns vor einigen Jahren noch an den Hypothesen von Red und Blue Ocean orientiert. Bei uns hat es nicht so funktioniert wie es in der Theorie klang. Der Grund ist die strikte Trennung: Der blaue Ozean weiß nicht, was im roten passiert und umgekehrt. Die Folge sind Abwehrreaktionen statt Verbindung und Integration. Hier eine typische Situation, wie ich sie fast täglich bei Kunden erlebe:

  • Blauer Ozean – die Weltverbesserer: Die hippen und coolen Typen im Bällebad in Berlin, mit Tischkicker und Hipsterbärten haben vom eigentlichen Geschäft des Unternehmens alles, nur keine Ahnung.
  • Roter Ozean – die Kohlenschaufler auf der Titanic: Die anderen sind die ewig gestrigen, die den Schuss der Digitalisierung eh nicht mehr hören und alles nur verhindern.

Während die Weltverbesserer Budget, Planstellen, coole Räume, beste IT- und Social Media-Ausstattung sowie alle möglichen Freiheiten bekommen, müssen die anderen in brutaler Kosteneffizienz arbeiten, stecken in ihren alten Gebäuden und Strukturen fest und müssen das an Geld einsparen, was die digitalen Wilden ausgeben.

Und spätestens, wenn die ersten Ideen oder Prototypen aus dem Blue Ocean in den Red Ocean übertragen werden sollen, werden die Schwächen des Ansatzes sichtbar.

  • Die Menschen, die in den Ozeanen arbeiten, sind völlig unterschiedlich und haben unterschiedliche Skills. Weil sie in getrennten Welten leben und arbeiten, sind sie nicht kompatibel und es kommt zu Missverständnissen.
  • Die Prozesse und Vorgehensweisen in den beiden Welten sind einander diametral entgegengesetzt. Beginnend bei der Sprache, weiter zum Effizienzverständnis, über die Fehlerkultur, Budgetprozesse, Planungszyklen, Produktmanagementprozesse, Go-to-market-Ansätze usw. usf.

Die Folge: Keiner hat auf die Ideen aus dem Blue Ocean gewartet, es gilt ja das Kerngeschäft effizient zu betreiben. Umsetzung neuer Ideen? Fehlanzeige!

Fazit: Investition in Innovation bedeutet hohes Risiko

Die Investments in diesem Innovationsdesign sind mit hohem Risiko- und ungenutztem Kreativpotenzial verbunden. Nicht nur wir haben diese Erfahrungen gemacht. Wir sehen ähnliche Schwierigkeiten bei vielen der aktuellen Labs der Deutschen Wirtschaft, in die viel Hoffnung und viel Geld gesteckt wird. Unsere Empfehlung: Überprüft die Grundannahmen Eures Innovationsansatzes!

Wir arbeiten seit einigen Jahren mit dem 3-Horizonte-Modell und sehen viele Erfolge eines integrierten Organisationsdesigns für Innovationen. Einige Aspekte daraus beschreibe ich im folgenden Absatz.

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So verläuft idealtypisch das Wachstum von Unternehmen. (Bild: © Markus Andrezak)

Wachstumsphasen im Unternehmen

Das Wachstum von Unternehmen verläuft idealtypisch nach einer S-Kurve, die sich in die Phasen Anfang, Wachstum und Reife gliedert. Das klingt ein bisschen wie im Märchen, wo nach der Hochzeit immer alles zu Ende ist: „Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage“. Wir alle wissen: nach der Hochzeit geht es erst so richtig los. So ist es auch in Unternehmen: Nach der Reife folgt die Überreife – irgendwann hat jeder, der es braucht, unser Produkt gekauft, ein Wettbewerber hat eine bessere, billigere Alternative entwickelt oder (und hier setzt das 3-Horizonte-Modell an) eine Innovation ist auf den Markt gekommen, die das Kundenproblem viel besser und umfassender löst. Und unseren mühsam erkämpften Marktanteilen können wir zum Abschied hinterherwinken.

Sinnvoller Ressourceneinsatz in exponentiellen Zeiten

Das Dilemma, vor dem alle Unternehmen stehen, ist, dass Ressourcen nur begrenzt zur Verfügung stehen und effizient eingesetzt werden müssen. Wieviel Zeit, Geld, Mitarbeiter müssen wo investiert werden, damit der Outcome möglichst groß ist? In einer global digital vernetzten Welt müssen diese Entscheidungen immer schneller getroffen werden. Für Unternehmen ist es sehr verlockend, in den derzeitigen Renner des Unternehmens alle Kraft zu stecken – schließlich sorgt dieses Produkt für den Cashflow. Aber Vorsicht: Nur weil ein Produkt heute der Renner ist, heißt das nicht, dass das immer so bleiben wird. Oder hat irgendjemand zufällig vor, sich morgen eine Schreibmaschine oder Plattenspieler zu kaufen? Oder vielleicht einen iPod? O.k. – von den Retrokäufern einmal abgesehen.

Nach wie vor sind wir so sozialisiert, dass wir unseren Besitzstand wahren wollen und uns schwertun, unsere Kernprodukte abzustoßen. Wir haben Angst, uns selbst in Frage zu stellen, unser Kerngeschäft anzugreifen oder gar zu kannibalisieren. Das wird in Zukunft eine immer größere Gefahr für die Anpassung unserer Unternehmen an die neuen Marktgegebenheiten.

Denken in 3 Horizonten

Um langfristig erfolgreich zu bleiben empfiehlt es sich deshalb in 3 Horizonten zu denken und in alle Horizonte zugleich Ressourcen stecken.

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Das 3-Horizonte-Modell gibt Innovationen Raum, ohne dafür das Tagesgeschäft zu vernachlässigen. (Bild: © Markus Andrezak)
  • Horizont 1: Hier sind unsere beliebtesten und prächtigsten Produkte angesiedelt. Es beschert uns den Cashflow, den wir für’s tägliche Geschäft brauchen. Hier fließen die Ressourcen vor allem in die Verteidigung der erreichten Marktanteile und in die Optimierung des bestehenden Produkts.
  • Horizont 2: Hier werden neue Produkte mit neuen Funktionen entwickelt, die neue Probleme lösen. In Horizont 2 geht es nicht um Optimierung, sondern um grundlegende Entwicklung und vor allen Dingen um Wachstum. Fehlerfrei sind diese Produkte noch nicht.
  • Horizont 3: Hier finden die disruptiven Innovationen statt: Neue Geschäftsfelder werden gesucht. In diesem Bereich arbeiten Forschung und R&D-Abteilungen. Es geht um die langfristige Zukunft des Unternehmens und um neue Geschäftsmodelle.

Mit dem 3-Horizonte-Modell arbeitet z.B. auch Apple. Während noch etwa 2007 der iPod 80 Prozent des Umsatzes ausmachte, liegt der Schwerpunkt heute längst beim iPone. Dieses Umswitchen ist dem Unternehmen nur gelungen, weil es frühzeitig Kundenbedürfnisse erforscht und erkannt hat. Heute experimentiert Apple in Horizont 2 mit der Apple Watch und in Horizont 3 mit Autos und Künstlicher Intelligenz.

Das alles Entscheidende – Mitarbeiter richtig einsetzen

Wenn es um Ressourcen geht, dann entstehen immer Konflikte. Vor allem Abteilungen, die mit Horizont 1 befasst sind, tun sich schwer damit zu verstehen, welche „kreative Spielereien“ in Horizont 2 oder gar 3 betrieben werden. Und vor allen Dingen fehlt Ihnen das Verständnis dafür, dass diese Spielereien auch finanziert werden müssen.

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Der Haufe Quadrant zeigt das Zusammenspiel zwischen Organisationsdesign und die Rolle der Mitarbeiter. (Bild: © Haufe-umantis AG)

Für Unternehmen ist es unabdingbar sowohl innovativ, kreativ und prozessorientiert zu denken, als auch effizient und kostensensitiv. Das sollte sich auch in der Mitarbeiterstruktur widerspiegeln: Nicht jeder ist der innovative, kreative Typ, der im Chaos glücklich ist und Freiheiten genießen kann. Viele wollen einen klar definierten Aufgabenbereich mit festen Strukturen, an denen sie sich entlanghangeln können. Mitarbeiter müssen Strukturen im Unternehmen vorfinden, in denen sie ihre individuellen Fähigkeiten entfalten können. Dann bringen sie den größten Nutzen. Denn in jedem Horizont benötigen Sie einerseits bestimmte Mitarbeiterskills, andererseits aber auch situative Leadership Fähigkeiten. Während in Horizont 1 die Effizienz und deren kommagenaue Messung relevant sind, brauchen wir in Horizont 2 Leader, die Geschäfte aufbauen und ins Wachstum bringen. Natürlich bedarf es dort anderer Fähigkeiten und Methoden, anderer Mindsets und Haltungen. Dieses organisationale Betriebssystem zu designen und umzusetzen ist eine der obersten Leadership-Aufgaben.

Mit dem 3-Horizonte-Modell Kunden glücklich machen

Innovation ist schön und gut, neue Produkte auch. Sie müssen aber auch so gestaltet sein, dass sie wirklich relevante Kundenprobleme wirklich lösen. Deshalb ist es wichtig, dass Produktentwickler nicht im stillen Kämmerlein vor sich hin sinnieren, sondern sinnbildlich auf die Straße gehen und die Leute fragen, was sie brauchen (mehr dazu auch unter 3 Horizonte für Kundenzufriedenheit). Das nennt man User Research (UR). Es geht um echte Kundenbedürfnisse, um Probleme, die wir noch nicht gelöst haben. Es geht nicht um unsere Fantasie oder unsere Meinungen. Das Vorgehen ist streng empirisch: Was wird geäußert? Was können wir beobachten? Nur so sind gute Lösungen möglich. Bei der Lösungsfindung können uns z.B. Kreativtechniken wie Design Thinking weiterhelfen. Damit wir die besten Lösungen finden für unsere Kunden –und zum Wohle unseres Unternehmens.

Als Informationsquelle diente u.a. Agile Review 2016/ Sonderausgabe: Kunden begeistern.

Wie designen Sie Ihr Unternehmen um die ambidextren Herausforderungen zu meistern und Innovationen zu fördern? Ich freue mich auf spannende Diskussionen.

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