Kurz bevor am 20. Januar in München die 14. Auflage der „Digital Life Design Conference“ (DLD) mit 150 Speakern und über 1000 Teilnehmern startet, habe ich DLD-Managerin Steffi Czerny zum Organisationsrebellen Talk #11 getroffen. Wir haben über interdisziplinären Austausch gesprochen. Und darüber, wie wichtig christliche Werte (Über Werte habe ich auch vor kurzem mit Hans Reitz im Organisationsrebellen-Talk #9 gesprochen), Zeiteinteilung, Mut und Durchhaltewillen sind.
Rebell stellt Rebellin ein: Wie Steffi Czerny zum Burda-Verlag kam
Als Mutter von vier Kindern kam Steffi Czerny erst mit 40 Jahren zum Burda-Verlag. 1995 wurde sie von Dr. Hubert Burda als „neugierige Hausfrau“ vom Lande eingestellt. Eine „rebellische Tat“ des Verlegers, der früh verstanden hat, dass das Internet alles verändern wird und er eine Rebellin braucht, mit der er das Neuland für sich und sein Unternehmen erkunden kann. Niemand war besser als Steffi Czerny geeignet, dies zu tun. Er hat sich gegen alle Widerstände und Bedenkenträger im eigenen Unternehmen und in seiner Branche durchgesetzt und so seinen Medienkonzern sehr erfolgreich ins 21. Jahrhundert überführt.
Die ausgebildete Journalistin arbeitet seit jeher eng mit Dr. Burda zusammen, ist spezialisiert auf digitale Themen und hat 2005 die DLD Media mit gegründet, die sie als Managing Director leitet. Seitdem holt sie jährlich die weltweite digitale Elite für drei Tage nach München zur „Digital Life Design Conference“, auf der Gründer, Künstler, Investoren und Wissenschaftler über die digitale Zukunft diskutieren.
Gründerin und Geschäftsführerin Steffi Czerny hat die DLD zu einer der wichtigsten europäischen Konferenzen für Investoren und Internetunternehmer gemacht, auf der sich Größen wie Arianna Huffington, Mark Zuckerberg, Lary Page oder Ai Weiwei die Klinke in die Hand geben. Invited only ist ein Markenzeichen für DLD und die Netzwerkerin. Nur wer zum Netzwerk passt, darf die Konferenz auch besuchen. DLD ist nicht vergleichbar mit anderen Konferenzen. DLD ist eine besondere Marke.
Interdisziplinärer Austausch, Werte & tiefgreifendes Wissen sind gefragt
„Das interdisziplinäre Denken ist von zentraler Bedeutung. Gerade Künstler sind sehr wichtig, weil sie oft vorwegnehmen, wie sich eine Gesellschaft verändert“, erklärt Steffi den Ansatz und fügt hinzu: „Wir sollten nicht vergessen, dass Business enorm von Technologien getrieben ist. Doch was nutzt umgekehrt die beste Technologie, wenn man kein Business daraus machen kann?“ Für Steffi Czerny geht es deswegen immer um die Mischung, die Vielfalt und die diversen Blickwinkel der unterschiedlichen Bereiche.
Trotz der großen Namen, mit denen sich die Top-Managerin umgibt, und der vielen Reisen, die sie unternimmt: Steffi Czerny besinnt sich immer wieder auf die christlichen Werte und ihren Erfahrungsschatz. Gerade die verinnerlichten Werte seien wertvoll, wer sie wirklich umsetze, habe bereits viele Probleme gelöst. „Doch ich habe manchmal den Eindruck, dass heute schon ein Rebell ist, wer sich auf die alten, christlichen Werte und Tugenden beruft“, wundert sie sich. Dabei sei es gerade in einer Umbruchzeit stabilisierend und gut, auf traditionelle Werte zurückgreifen zu können. Aussagen, die mich sehr zum Nachdenken angeregt haben.
„Nur wer die Tradition und die DNA eines Unternehmens kennt, kann die Bruchstellen finden, um etwas zu verändern. Und nur so können Verkrustungen aufgebrochen werden“, erklärt Czerny. Deshalb ruft sie dazu auf, ein Unternehmen oder ein System bis in die Tiefe zu durchdringen und sich nicht nur an der Oberfläche zu bewegen. Dies ist auch ein kleiner mahnender Hinweis an junge Generationen, sich nur oberflächlich mit dem Aufbau einer Organisation zu beschäftigen. Meine Erfahrung ist: Zukunft passiert nicht ohne Herkunft. Wer die Beidhändigkeit von Tradition und Moderne nicht versteht wird sich im Wandel bestehender Strukturen schwer tun.
Generationen müssen zusammenarbeiten – Veränderung bedeutet Widerstand
„Für eine echte, wirksame Rebellion braucht es Wissen, Erfahrung – und die Liebe zu einem Unternehmen.“ Für Steffi Czerny kann Veränderung nur gelingen, wenn sie von Sinnhaftigkeit getrieben ist und es nicht um persönliche Befindlichkeiten geht oder gar um reinen Aktivismus. „Für mich hat Rebellentum viel mit Leadership zu tun, denn es geht am Ende ja darum, dass ich meine Werte und meinen Veränderungswillen gegen alle Widerstände durchsetzen kann. Deswegen ist es ein mutiger und anstrengender Schritt.“
Quelle: Kienbaum / YouTube.com
Czerny: „Hilfreich ist es, wenn wir junge Menschen fördern und uns mit ihnen austauschen und auch Frauen und Männer in einen Dialog bringen und nicht separieren. Es geht nicht um eine ausschließende Genderdiskussion, sondern um die Herausarbeitung von gemeinsamen Zielen und das Einbringen der unterschiedlichen Stärken und Fähigkeiten. Denn klar ist: gemischte Teams sind erfolgreicher.“ Czerny bekennt: „Für mich ist es das Schönste, wenn ich von jungen Menschen lernen kann.“
Besetzt sie eine Stelle neu, sind gute Noten wichtig, doch am Ende setzt Steffi Czerny auf Begeisterungsfähigkeit und analytischen Sachverstand. Spannend findet sie zurückgenomme, inhaltlich aber stark an der Sache interessierte Menschen, die ihr lieber sind als „glatte Business School – Absolventen“. Die Welt hat genug von den Barbies und Kents die gebrainwashed aus den MBA Schmieden entlassen werden so hat es Thomas Sattelberger ebenfalls einmal sehr deutlich formuliert und auch stets danach gehandelt.
Ihr Tipp für junge Menschen: „Nehmt euch Zeit, macht nicht sofort Karriere und lasst euch auf die Dinge ein, die euch interessieren – und die klappen dann auch.“
Zeit anders denken & Genuss nicht vergessen
„Ich habe etwas Wichtiges festgestellt! Erfolgreiche Menschen, die Vordenker und Treiber sind, haben ein anderes Verhältnis zur Zeit. Wenn sie etwas wirklich wollen, dann nehmen sie sich die Zeit und lassen sich ein“, erklärt sie ihre Beobachtung. „In Unternehmen eher unbedeutende Menschen nehmen sich nur selten Zeit und hetzen durch ihren (Arbeits-) alltag. Es ist wichtig, dass man auch mal über sich lachen kann, denn sonst wird man verbissen und kann nicht mehr genießen.“ Dabei sei Genuss so wichtig im Leben – diese eher unerwartete Lektion hat sie von Hubert Burda einem ihrer großen Vorbilder gelernt.
Veränderung als Konstante im Leben – Grenze zwischen Arbeit & Freizeit löst sich auf
Die Gesellschaft steht vor einem enormen Wandel – den wir heute noch gar nicht ermessen können – und dieser macht vielen Menschen Angst. Czerny: „Wir müssen verstehen, dass die Veränderung eine Konstante in unserem Leben ist – mit all ihren Konsequenzen.“ Deshalb sei es wichtig, dass wir auch ein anderes Verständnis von unserer Arbeit bekommen. Wer heute als Sachbearbeiter in einer Firma beginnt, wird diese Stelle nicht bis zu seiner Rente haben. „Wir werden auch viel älter,“ so Czerny, sollten uns nicht mit der Rente beschäftigen und uns klar machen, dass sich die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit sukzessive auflösen. „Ich arbeite schon heute, wann und wo ich möchte“, erklärt die Managerin.
Mangelhafte Infrastruktur als Bremser
Ein riesiges Konfliktfeld ist für Steffi Czerny der mangelhafte Breitbandausbau in Deutschland und Europa. „Ich wohne auf dem Land und auf dem Weg ins Büro fahre ich durch drei Funklöcher“, berichtet sie aus ihrem Alltag. Von enormer Bedeutung ist für sie die Frage, wie die Rolle Europas in der Welt zukünftig aussehen wird – und wie Bitcoin und Blockchain die Welt verändern werden.
Diese Themen werden auch auf der DLD München 2018 eine zentrale Rolle spielen, die unter dem Motto „Reconquer“ steht und zur Rückeroberung von Vertrauen, Werten und Optimismus aufruft. Czerny: „Wir befinden uns an der Schwelle zur einer neuen Ära des ‚Machine Learning‘, der Biotechnologie und des ‚Internet of Things‘. Wir können und sollten dieser mutig und angstfrei begegnen.“
Sinnvolle Veränderungen und ehrliches Scheitern
„Eigentlich ist sie eine Rebellin, man muss sie im Zaum halten,“ hieß es schon in ihren Schulzeugnissen. „Und ich fühle mich bis heute als Rebellin“, sagt Steffi Czerny nicht ohne Stolz. Sie will Dinge so verändern, dass sie Sinn machen. „Rebellentum ist ja auch nur sinnhaft, wenn ich mein Unternehmen erhalten oder weiterbringen will. Es geht um die Verhinderung von Stagnation und dabei müssen Muster verändert werden, auch wenn es weh tut.“
Doch Steffi Czerny gibt auch zu: „Wenn man mit aller Macht etwas versucht und es mit seinen Möglichkeiten nicht erreichen kann, sollte man in der Lage sein zuzugeben, dass es nicht geklappt hat. „Dann hat man es wenigstens versucht.“ Denn darauf kommt es am Ende an.
Liebe Steffi, vielen Dank für Deine Zeit und weiterhin viele rebellische Kreationen. Wir sehen uns sicher auf der DLD in New York das nächste Mal wieder.
Dieser Beitrag ist Teil der Organisationsrebellen-Blogparade von Haufe-Vision.
Quelle Titelbild: © Kienbaum Consultants International GmbH