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Daimler agil – auf dem Weg zur Schwarmorganisation

Im September 2017 erschien ein Artikel von Reiner Straub zum Thema „Leadership 2020 – Schwarmorganisation“ mit Sama Mbang (Daimler AG) und mir im Personalmagazin. Basierend darauf gebe ich in diesem Beitrag einige Einblicke und Erfahrungen zum Wandel von Unternehmen hin zu agilen Organisationen. Die persönliche Begleitung des Projektes Leadership 2020 bei der Daimler AG ist eines meiner spannendsten Projekte der letzten Jahre und sicher auch eines der umfangreichsten Transformationsprojekte in der Deutschen Automobilindustrie. Die Automobilindustrie ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft: stark und bedeutungsvoll – aber seit Jahren vor großen Herausforderungen stehend. Was bei Daimler derzeit in Sachen New Work und Agilität geschieht, ist beeindruckend und zeigt, dass es möglich ist, (auch) in einem Großkonzern neue Arbeitsformen und Organisationsstrukturen zu etablieren und neue Wege zu gehen. Daimler will 20% seines Unternehmens zur Schwarmorganisation weiterentwickeln und setzt bei der Neuausrichtung auf Agilität, Mitarbeiterbeteiligung, Verantwortung und Flexibilität.

Die Herausforderungen der Auto-Industrie

Die Automobilindustrie steht weltweit und besonders in Deutschland vor vier großen Herausforderungen:

  1. Mobilität koppelt sich ab vom eigenen Auto. Gerade in den Städten – und immer mehr Menschen leben in Städten – wird das Auto zum reinen Gebrauchsgegenstand, das einen von A nach B bringen soll. Oder, anders gesagt: Dieser Wandel vollzieht sich schon seit einigen Jahren und wird in Zukunft noch stärker werden. Carsharing und neue Mobilitätsangebote gewinnen an Bedeutung.
  2. Internet of Things (IoT) und Connected Cars sind integraler Baustein in der machine to machine (m2m) Interaktion. Smart Services sowie die sichere Nutzung und Verfügbarkeit von Daten für Vernetzung werden enorm wichtig
  3. Autonomes Fahren sowie autonome mobile Roboter durch die rasante Entwicklung von künstlicher Intelligenz verändern unsere Nutzung von mobilen Fahrzeugen dramatisch.
  4. Umweltbelastungen und Klimawandel, Lärmbelästigung und sich verschlechternde Luftqualität fordern die Automobilindustrie heraus. Große Teile von Politik und Gesellschaft sehen in der Elektromobilität (in Teilen auch im Wasserstoffantrieb) die Antriebsarten der Zukunft.

Die Entwicklung praktikabler Technologien und passender Infrastruktur als Antwort auf Umweltveränderungen und neuer gesellschaftlicher Werte ist eine wichtige wie auch riesige Zukunftsaufgabe der Automobilindustrie.

Schneller, flexibler, agiler werden

Daimler hat erkannt: Um mit diesen Herausforderungen und neuen Wettbewerbern fertig zu werden, müssen u.a. die Organisationsstrukturen flexibler werden, um an Geschwindigkeit zuzulegen und weniger Zeit für in der Vergangenheit langsame Entscheidungen zu brauchen. Grundlegende Informationen aus Vorstandssicht zum Programm Leadership 2020 findet Ihr hier im Daimler Geschäftsbericht 2016. Agilität ist aber nichts, was man mal eben in einem Großkonzern durchsetzt. Das tradierte Organisationsdesign großer Konzerne widerspricht der adaptiven Art agil zu Arbeiten. Ein Wandel der Unternehmenskultur und die Veränderung des Verständnisses von Unternehmensführung ist zwingend notwendig. Ohne einen radikalen Wandel gelingt keine neue Arbeitsweise. Führungsaufgaben und die Zusammenarbeit im Team verändern sich. Dafür hat sich Daimler Unterstützung u.a. von uns geholt. Wir, ein Team von rund 45-50 agilen Coaches begleiten Führungskräfte und Mitarbeiter von Daimler bei der Einführung von agilen Methoden und mehr transformationeller Führung. Beiden Seiten ist dabei wichtig, dass wir voneinander lernen: Denn auch wir als Berater und Coaches lernen viel aus der Zusammenarbeit. Durch Co-Creation entsteht auch eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen Beratern und Kunden.

Change the Game: Führung fit für die Zukunft machen

Der Change Prozess wurde bei Daimler 2015 mit dem Programm Leadership 2020 unter dem Motto „Change the Game“ angestoßen. Unter der Rubrik „Das sind wir“ geben Mitarbeiter der Daimler AG Einblicke in das Game Changing Programm. Dort entwickelten in vielen globalen Workshops 140 Mitarbeiter ein neues Führungsleitbild sowie acht Themenfelder die in der Daimler Transformation priorisiert umgesetzt werden sollen. Ein Themenfeld von den acht ist die „Schwarmorganisation“. Das Besondere daran ist: eine Hälfte der Beteiligten wurde vom Konzernmanagement nominiert, die andere Hälfte konnte sich bewerben. Aus mehreren tausend internen Bewerbern wurde ein Team von 140 Game Changer aus der ganzen Welt. So sind alle Abteilungen, Länder, Bereiche, Kulturen und Hierarchiestufen an dem Transformationsprozess beteiligt und können ihre Perspektiven einbringen. Eigenverantwortung und Selbstbestimmung sind damit nicht nur trendy New-Work-Begriffe, die dann irgendwann am Ende stehen sollen, sondern bereits gelebter Teil des Veränderungsprozesses. Nur so kann aus meiner Sicht Cultural Change gelingen. Welche Sicht der CEO, Dieter Zetsche auf Cultural Change hat und wie er persönlich die Kulturveränderung vertritt, könnt Ihr in seinem sehr spannenden Beitrag auf LinkedIn lesen.

In ihrem Vortrag auf dem Haufe Talentmanagement Gipfel 2017 erklärte Ursula Schwarzenbarth, General Manager Talent Development und Diversity Management  die wesentlichen People Dimensionen bei Change the Game.

Quelle: Youtube Grabmeier/Live Mitschnitt vom TMG 2017

In der Schwarmorganisation Potenziale ausschöpfen

Um agiles Arbeiten und dadurch eine bessere Adaption sowie kollektives Denken im Konzern zu stärken, will Daimler in Teilen zur Schwarmorganisation werden. Das Unternehmen nutzt damit das Potenzial, das seine Mitarbeiter ihm bieten gleich in mehreren Hinsichten: Zum einen ihre Ideen und ihr kreatives Potenzial, das sie mitbringen. In „Change the Game“ haben sie die Möglichkeit, ihre Ideen einzubringen, Verantwortung zu übernehmen und so den Prozess aktiv mitzugestalten. Das erhöht die Identifikation mit dem Unternehmen. Zum anderen, weil die Mitarbeiter ein Abbild der Gesellschaft sind und damit der potenziellen Kunden. Wie wertvoll eine solche Ressource ist, habe ich vor einiger Zeit im Artikel über Social Forecasting beschrieben.

Ambidextrie – agil zur Schwarmorganisation

Manche Bereiche haben weder die Notwendigkeit noch den Bedarf sich agil aufzustellen, andere allerdings umso mehr. Man spricht von der Ambidextrie, also der Beidhändigkeit sowohl in Teilen klassisch und in anderen Teilen agil zu arbeiten. Zuständig für den Umbau zur Schwarmorganisation bei Daimler sind Sama Mbang und Valeria Gargiulo. Sie koordinieren zusammen ein ca. 20-köpfiges Game Changer Swarm Team. Das Team, gemeinsam mit unserem Coach Pool berät andere Abteilungen und Business Units bei der Einführung flexibler Modelle und agiler Arbeitsweisen. Die Coaches setzen die agilen Arbeitsweisen mit den betroffenen Business Units direkt um. Coaching on the job ist die Devise der Implementierung. Schon bei der Etablierung agiler Haltungen geht Daimler anders als früher vor: Die Initiative muss von den Mitarbeitern, den Abteilungen oder den Business Units ausgehen. Erst dann kommt Unterstützung von Mbang und Gargiulo. Zahlreiche Anfragen aus dem ganzen globalen Konzern bestätigen das Vorgehen. Wie wichtig die Etablierung von neuen Arbeitsweisen ist zeigt die Unterstützung des Top Management. Jeder Vorstand aus dem Konzern ist Sponsor eines Themenfeldes in der Transformation. Dieter Zetsche, CEO der Daimler AG widmet sich der Schwarmorganisation persönlich. Dies drückt die Priorität und Wichtigkeit für den Vorstand sich ändern zu müssen deutlich aus.

Im Swarming geht es aber nicht nur darum, agile Methoden und Arbeitsbedingungen einzuführen. Genauso wichtig sind das Mindset der Mitarbeiter und Führungskräfte sowie die Organisationsstrukturen, die ebenfalls flexibler werden müssen. Das Game Changer Team unterstützt in diesem Prozess bedarfsorientiert und flexibel: mit Beratungen, Coachings der Mitarbeiter oder Schulungen zum Methodeneinsatz.

Das ehrgeizige Ziel des Projektes Schwarmorganisation: 20 Prozent der 280.000 Mitarbeiter bis 2020 weltweit in agile und flexible Arbeitsstrukturen zu bringen. Eine enorme Herausforderung.

Daimler hat diesen Prozess vorbildhaft angestoßen, indem der Konzern Mitarbeiter und Führungskräfte von Anfang an miteinbezogen hat. Die Zusammenarbeit mit unserem agilen Coaching Team funktioniert sehr gut. Co-Creation ist nicht nur ein trendy Marketing Begriff, sondern gelebte Prinzipien der Zusammenarbeit. Die Entwicklung in Richtung Schwarmorganisation ist auf einem guten Weg und wird den Automobilriesen in weiten Teilen des Unternehmens fit und adaptiv für die Zukunft machen. Ich bin sehr gespannt wie sich das Vorhaben in den nächsten Monaten und Jahren entwickelt und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit.

Quelle Titelbild: Daimler AG Geschäftsbericht 2016

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