„Eile mit Weile“, sagte meine Oma früher. Die Zeiten sind längst vorbei! Wer sich zu viel Zeit lässt und ewig an einem Produkt herumbastelt, der wird von der Konkurrenz überholt noch ehe er ein schlaues Sprichwort über die Lippen bringt. Im Produktdesign arbeiten Firmen an einer Beschleunigung von Design-Prozessen, um schneller Innovationen zu produzieren –nach dem Motto „Fail fast and cheap“. Aus diesen Konzepten kann man viel darüber lernen, wie man eine Organisation auf- und umbauen kann, damit Innovationen schneller entstehen und besser durchgesetzt werden können.
Done is better than perfect – warum Schnelligkeit wichtiger als Perfektion ist
Nur Produkte, die auf dem Markt sind, bringen Unternehmen Geld. Das gilt auch für Produkte, die noch nicht 100-prozentig perfekt sind. Gerade bei echten Innovationen – und damit meine ich Produkte und Services, die sich nicht auf Etabliertes stützen, das bereits auf dem Markt ist – findet man Schwachstellen erst im direkten Gebrauch. Oft liegen diese Schwachstellen dort, wo man sie aus der theoretischen Perspektive niemals vermutet hätte. Genau deshalb ist es so wichtig, auch (noch) nicht perfekte Produkte herauszubringen. Denn so kommt man an produktives Kundenfeedback, das dabei hilft, Innovationen weiterzuentwickeln und sie Schritt für Schritt perfekt(er) zu machen. Das Beste daran: Unternehmen verdienen bereits während dieser Phase Geld und das Produkt, das am Ende der Entwicklung steht, ist durch das Feedback von Kunden ziemlich wahrscheinlich nutzerfreundlicher und funktionaler als eines, auf das bisher nur Experten aus ihren Silos und ihrer Expertenperspektive geschaut haben.
Warum Schnelligkeit aber trotzdem nicht alles ist
Prozesse für die Produktentwicklung kann man zwar beschleunigen, aber sie sollten in erster Linie produktiv sein. Umso wichtiger ist es, einem Konzept zu folgen, das den beschleunigten Prozess strukturiert. Das Produktdesign nutzt dafür Design Sprints, die nach einem ähnlichen Schema wie Scrum funktionieren. Klassischerweise dauert ein Design Sprint fünf Tage, also eine Arbeitswoche. Am Freitag steht dann ein fertiges Produkt.
Wichtig ist dabei eine klare Fragestellung, die den Prozess strukturiert sowie eine detaillierte Vorbereitung des Sprints. Alle Termine mit Leuten, die nicht direkt am Prozess beteiligt sind, müssen stehen und die Teamorganisation muss klar sein. Nur wer gut strukturiert arbeitet kann agil arbeiten. Idealtypisch sieht der Design Sprint dann so aus:
- Montag: Analyse und Zielsetzung
- Dienstag: Ideengenerierung
- Mittwoch: User Flows
- Donnerstag: Prototyp
- Freitag: Testen durch Nutzer
Mit dem fixen Termin für das User-Testing ist dem Prozess ein natürliches Ende gesetzt. Man kann also gar nicht länger brauchen und die Produktentwicklung weiter ausdehnen. Das garantiert die absolute Fokussierung auf das Ziel und sorgt für effizientes Arbeiten in den Teams.
Schnelle Innovationen sind in erster Linie eine Frage der Unternehmensführung
Wie moderne Managementmethoden und Kreativitätstechniken brauchen auch Design Sprints eine moderne und offene Organisations- und Führungskultur. Mit konservativen hierarchischen Strukturen kommt man hier nicht weiter. Denn es gibt zwar – ähnlich wie den Scrum Master – eine Person, die alles koordiniert und Probleme moderiert, sie weist aber niemanden an, etwas zu tun oder zu lassen. Die Idee dahinter: Innovationen brauchen Kreativität. Kreativität entsteht aber nicht dadurch, dass einer den Prozess dominiert, sondern eben durch viele gleichberechtigte Ideen, aus denen dann die beste herausgefiltert wird – oder eine Synthese aus vielen verschiedenen Perspektiven.
Die Grundlage für schnellere und bessere Innovationen ist deshalb eine Führungs- und Unternehmenskultur,
- die auf Kooperation, Diversität, Vielfalt, Offenheit, Transparenz, Mitbestimmung fußt.
- die Fehler und Scheitern zulässt und analysiert, statt an den Pranger zu stellen.
- die Freiraum und Eigenverantwortung fördert und keine Angst vor Kontrollverlust hat.
- die zuerst auf das Machbare und Mögliche schaut, statt alles Neue kritisch zu hinterfragen und die Schwachstellen in den Vordergrund zu rücken.
Kreativität braucht flexible Räume für flexible Ideen
Der Design-Sprint-Guru und Vater des Konzepts Jake Knapp, von Google Ventures, betont außerdem, wie wichtig die räumliche Situation ist: Ein Raum, der so genannte „war room“ muss für das Projekt reserviert sein – und er sollte möglichst leer bzw. mit flexiblem Mobiliar ausgestattet sein. Denn an weißen Wänden lassen sich hervorragend Ideen visualisieren, gruppieren, reorganisieren – genauso flexibel wie der Geist sollte auch der Raum sein.
Quelle: GV / YouTube
Über den Zusammenhang von Räumen und Unternehmenskultur gibt es übrigens auch hier auf meinem Blog einen Beitrag: Räume gestalten – Kultur ändern – Leistung steigern.
Innovationen leben und umsetzen – The Dark Horse
Aus meiner persönlichen Erfahrung finde ich die Ansätze der Berliner Innovationsagentur (die wir übrigens häufig während unserer Innovation Journies öfters besuchen) The Dark Horse klasse. Das Team verspricht ihren Kunden „in kürzester Zeit neue Produkte und Services auf den Markt zu bringen“. Auch sie arbeiten nach dem „Imperfect Action“-Ansatz, bei dem Innovationen möglichst schnell in User-Hände gelangen, damit deren Erfahrungen und Feedback in die Optimierung des Produkts einfließen können.
Das Besondere darüber hinaus an The Dark Horse ist, dass es keinen Chef gibt. Die 30 (!) Gründer, alle Absolventen des HPI School of Design Thinking, entscheiden soziokratisch: Wer anwesend ist, hat eine Stimme. Damit das effizient bleibt, wird nicht gefragt, ob alle einverstanden sind, sondern ob alle damit leben können. Ihre innovative Unternehmenskultur hilft nicht nur bei der Entwicklung von Innovationen – sondern auch anderen Unternehmen dabei zu innovieren. Im „Digital Innovation playbook“ von Dark Horse findet ihr tolle Werkzeuge die nicht nur um Design Sprint Anwendung finden. Ich kann es sehr empfehlen.
Lieber starten als weiter zögern – done is better than perfect!
Ich hoffe, dieser Artikel gibt den Zauderern ein bisschen Mut und Anregungen, einfach mal ins kalte Wasser zu springen. Was gibt es schon zu verlieren, wenn wir Innovationen auf den Markt bringen? Verlieren werden wir, wenn wir es nicht tun. Ohne sie verdienen wir mit unseren Unternehmen schließlich kein Geld. Also let’s start!