„Form follows function“ – was für Design im Allgemeinen gilt, gilt auch und besonders für Büroräume. Räume und ihre Gestaltung sind nicht nur Ausdruck einer Kultur und bestimmter Werte, sie bestimmen auch nachhaltig und ganz konkret, wie gearbeitet wird, wo gearbeitet wird und wie wohl sich die Mitarbeiter fühlen. Damit bestimmen die Räume auch die Produktivität eines Unternehmens. In meinen nächsten Blogbeiträgen widme ich mich intensiver dem Thema Unternehmenskultur und seinen Aspekten und Ausprägungen. Zum Start geht es heute um Arbeitsräume als Ausdruck von Unternehmenskultur – um gesunde, um kranke, um reale und um virtuelle.
Räume als Ausdruck derUnternehmenskultur
Zappos ist ein Online-Handel für Schuhe, Fashion und Lifestyle-Produkte – ein E-Commerce-Unternehmen der ersten Stunde. Das Geschäftsmodell von Zappos kopierten die Brüder Samwer und nannten es Zalando. „Ich schrei vor Glück“ kennt sicher fast jede(r) hier in Deutschland, wenn er einen Internetanschluss oder Schuhe besitzt.
Was aber hat es mit Zappos auf sich? Der Gründer und CEO von Zappos Tony Hsieh fragte sich vor einiger Zeit: Wie sollte es in meinem Unternehmen aussehen, damit ich gerne zur Arbeit gehe? Und als er diese Frage beantwortet hatte, gestaltete er (nicht nur) die Räume radikal um. Vor allem veränderte er damit die Unternehmenskultur – die Räume waren nur der physische Ausdruck davon. Die Architektur und Arbeitsräume sind kulturprägend und daher systemimmanent.
NO-Clean Desk Policy bei Zappos
Bei Zappos muss keiner abends die Stifte akkurat in die Schublade sortieren. Jeder kann seinen Arbeitsplatz so gestalten, wie er möchte. Das führt dazu, dass das estrategy-magazin die Büroräume von Zappos wie folgt beschrieb: „Die Großraumbüros sehen aus, als habe man das gesamte Angebot eines Büroausstatters mit dem gesamten Angebot eines kaufhausgroßen Nippes-Laden vermischt, alles in die Luft gesprengt und dann zufällig auf die Arbeitsplätze verteilt.“
Die Chefetage abschaffen – Trennungen überwinden
Chaos, lustige Schildchen und bunte Figuren auf den Schreibtischen machen aber noch keine Unternehmenskultur aus. Viel entscheidender ist, dass die Räume auch Ausdruck der unternehmensinternen Beziehungen sind. Der Begriff „Chefetage“ kommt nicht von ungefähr: Je höher das Stockwerk, desto höher auch die Hierachie. Auch das berühmte Eckbüro (mit Fenstern an zwei Seiten!) gehörte früher dem Chef. In tradierten Unternehmen sind Fläche und Anzahl der Fenster Ausdruck von Macht und Status. Natürlich gesellt sich dann noch Krawattenzwang, Manschettenknöpfe, First Class Flüge und der Hubraum des Firmenwagens dazu.. aber darauf gehe ich ein anderes Mal ein.
Aber mit Chefetage, Eckbüro und somit Macht und Status geht auch eine Separierung einher: Führungskräfte sind schwer zugänglich für ihre Mitarbeiter: Weder sind sie für deren Probleme ansprechbar, noch bekommen sie mit, woran diese gerade arbeiteten. Heute dagegen setzt sich immer mehr die Auffassung durch, dass Hierarchien kontraproduktiv sind. Auf dem Weg durch die Ebenen verwässern Ideen, faule Kompromisse schleichen sich ein, und die ganzen Einwände führen schließlich dazu, dass neue Produkte und Angebote gar nicht erst zur Marktreife kommen (Mehr dazu auch in meinem Blogbeitrag Kooperation mit StartUps als Ausweg aus der Commodity-Falle für etablierte Unternehmen?) Unternehmen sollten sich deshalb fragen: Wie können wir durch unsere Räume und Gebäude vernetzte und agile Organisationsformen fördern? Wie können wir eine Führungskultur schaffen, die nicht auf Hierarchien fußt, sondern auf Kooperation, Transparenz und Flexibilität?
Der Chef im Großraumbüro
Bei Zappos hat man deshalb ein anderes Modell gewählt: Statt Chefetage und Eckbüro sitzt der CEO Tony Hsieh mit imGroßraumbüro statt räumlicher Trennung also ein großer Raum für alle – unabhängig von Funktion und Aufgabe. Dadurch gibt es nicht nur – im wahrsten Sinne des Wortes – kurze Wege. Sondern es entsteht auch eine Kultur der Offenheit, der Transparenz, der gegenseitigen Anerkennung und Wertschätzung. Räume sind also viel mehr als nur Orte, an denen wir uns aufhalten und arbeiten. Räume sind Ausdruck von Beziehungen. Da viele von uns den größten Teil unserer Zeit beim Arbeiten verbringen und produktiv sein wollen, sollten wir Wert darauf legen, dass unsere Umgebung dort zu unserem Wohlbefinden beiträgt.
Wenn Räume krank machen: Das Sick Building Syndrom
Vor allem in Büroräumen tritt immer wieder das Sick Building Syndrom (SBS) auf. Wer unter SBS leidet, hat meistens unspezifische Symptome, wie Übelkeit, Atemschwierigkeiten, Hautreizungen, Reizungen der Schleimhäute oder einfach nur generelles „Unwohlsein“. Sobald die Personen das Gebäude verlassen haben, klingen die Beschwerden ab. Hard Facts, die gesundheitsschädigende Stoffe im Bau für die Symptome verantwortlich machen können, konnten bisher nicht gefunden werden. Studien haben vielmehr gezeigt, dass „persönliche Faktoren und Empfindungen der Betroffenen, ihre Tätigkeit und die Benutzerfreundlichkeit ihres Arbeitsplatzes“ (Quelle: Umweltbundesamt) für das Auftreten verantwortlich sind. Räume können also sogar krank machen! Wenn sich die Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz nicht wohl fühlen, dann sinkt die Leistungsfähigkeit – und zwar ganz rapide! Im Umkehrschluss bedeutet das: Räume und ihre Gestaltung können auch gesund machen, motivieren und den Spaß an der Arbeit fördern.
Konsequentes Sharen
Genau darauf setzt die Barbarian Group. Die Barbarian Group ist eine Marketing-Agentur mit Headquarter in New York. Die Mitarbeiter fragten sich: Wie müssen Räume aussehen, damit wir uns maximal wohlfühlen? Und maximal kreativ und produktiv arbeiten? Deshalb verpflichteten sie den Architekten Clive Wilkinson. Er ist dafür bekannt, kreative Arbeitsräume zu entwerfen, die Kommunikation, Austausch und Vernetzung fördern. Das Resultat: Ein Schreibtisch für alle 335 Mitarbeiter, organische Formen, Rückzugsorte für Meetings. Der Riesenschreibtisch sieht aus wie eine enorme Halfpipe – „to keep people and ideas flowing“. Die Räume der Barbarian Group animieren dazu, sich in ihnen zu bewegen, an Knotenpunkten treffen Personen und mit ihnen Ideen aufeinander. Dadurch entwickeln sie sich weiter und wachsen.
Virtuelle Räume
Wenn man über (Arbeits-)Räume spricht, dann sind das in Zeiten von New Work und Flexibilisierung von Arbeit nicht nur physische Räume. Auch die virtuellen Räume sind von immenser Bedeutung. Unternehmen müssen virtuelle Räume schaffen, in denen ihre Mitarbeiter unabhängig von Zeit und Ort kommunizieren und zusammenarbeiten können. Nur so lassen sich die Anforderungen, die heute an moderne Arbeitsplätze gestellt werden, verwirklichen. Gleichzeitig ermöglichen die virtuellen Räume erst die Etablierung einer vernetzten und transparenten Unternehmenskultur. Intranet und andere Social Collaboration Tools hebeln den „Cheffilter“ aus: Sie sorgen dafür, dass Mitarbeiter direkt miteinander kommunizieren können und ihr Wissen teilen – ohne, dass in der Konferenz immer der Zensor mit am Tisch sitzt. Für die Fimenleitung bedeutet das: Sie muss loslassen können. Aber es bedeutet auch mehr Kreativität und mehr Innovation. Die Deutsche Telekom AG zeigt wie sich die Enterprise 2.0 Aktivitäten, die ich in meiner Telekom Rolle angestossen und verantwortet hatte, mittlerweile tief verankert haben. Nicht umsonst haben meine Ex Magenta Kollegen den diesjährigen New Work Award im Bereich der Großkonzerne gewonnen.
Loungen statt schuften – weg mit den Krawatten bei Bosch
Eines der tradiertesten und ältesten Unternehmen der Deutschen Wirtschaft geht ebenfalls seit langem neue Wege. Enterprise 2.0 weist auch hier seit einigen Jahren die Richtung wie sich ein pyramidales Unternehmen mehr und mehr in eine Netzwerkorganisation wandelt. Dazu zählt natürlich eine moderne Social Technology Infrastruktur aber auch Arbeitsumgebungen die Vernetzung, Austausch und Wissenstransfer ermöglichen. Der SWR hat dazu einen Bericht gemacht.
Räume – egal, ob virtuell oder real – sind nicht nur Orte, an denen wir uns aufhalten und arbeiten. Sie bestimmen, wie wir uns fühlen und ob wir produktiv sind. Deshalb: Schaut Euch Eure Umgebung an! Überlegt: Was müsstet Ihr verändern um etwas zu verbessern? Und dann tut es einfach – Ihr ändert die Kultur, habt mehr Spaß und steigert Eure Produktivität!
Quelle Titelbild: © Rawpixel.com – bigstockphoto.com
Ein sehr interessanter Beitrag – wie gut, dass man sich auf dem Weg der Blogparade finden kann. Sonst hätte ich am Ende nie von diesen tollen Beispielen erfahren.
Danke Isabelle:-)