Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung wurden 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedet. 193 Mitgliedsstaaten der UN waren an der Ausarbeitung beteiligt und stimmten zu. Die Sustainable Development Goals (SDG) sind weltweit der Leitfaden für eine nachhaltige Entwicklung – wirtschaftlich, gesellschaftlich und ökologisch. Auch für Unternehmen und Marken werden die SDG immer wichtiger. Wollen sie sich als nachhaltig und ethisch positionieren, dann müssen sie die Ziele für nachhaltige Entwicklung in ihrer Unternehmenspolitik beachten.
SDGs sind bei deutschen Führungskräften zu wenig bekannt
Weniger als die Hälfte aller Führungskräfte in Deutschland kennt die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Und das, obwohl 75 Prozent von ihnen die deutsche Wirtschaft durchaus in der Verantwortung sehen, Nachhaltigkeitsziele umzusetzen. Das globale Ziel der UN: Die Umsetzung der SDGs bis 2030. Dies ist das Ergebnis der jährlichen Führungskräftebefragung der Wertekommission (9/2021).
Management hat nachhaltige Wissenslücken
Topmanager wollen Unternehmen nachhaltiger machen erzielen. Allerdings sind die grundlegenden Ideen hinter diesem Ziel in den Chefetagen kaum bekannt. Nur 40 % der 536 von der Wertekommission befragten Manager kannten die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG). Darüber hinaus waren sie nur 47 % des Topmanagements bekannt. Es zeigt sich ein Bild großer Unwissenheit – um nicht zu sagen Ignoranz – in puncto Nachhaltigkeit in deutschen Unternehmen. Sechs Jahre nach ihrer Verabschiedung und neun Jahren bis zur geplanten Erreichung der SDG ist dies ein kritischer Befund.
Sollten Unternehmen sich in Bezug auf Nachhaltigkeit positionieren?
In Deutschland gibt es eine geteilte Meinung darüber, ob Führungskräfte in deutschen Unternehmen öffentlich zu politischen und sozialen Themen Stellung nehmen sollten. 56 % sprechen sich dafür aus, 44 % dagegen. Top-Manager:innen sind im Allgemeinen für eine solche Positionierung, während Mitarbeiter:innen der mittleren und unteren Ebene dies eher ablehnen.
Wichtige politische Themen aus Sicht der Führungskräfte sind Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus. 46 % halten es für wichtig, sich zu Fragen aus diesem Bereich zu äußern. Den zweiten Rang nehmen Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Bildung und Gleichberechtigung ein, allerdings mit deutlichen Abstand. Nur 25 % der Führungskräfte würde sich dazu öffentlich positionieren.
Zahlreiche Befragte befürchteten negative Auswirkungen in den klassischen Medien und in den sozialen Netzwerken, wenn sie öffentlich Stellung bezögen. Auf der anderen Seite erhofften sie sich durch die Positionierung die Identifikation ihrer Mitarbeiter:innen und Bewerber:innen sowie deren Zuspruch.
Die SDGs in Unternehmen implementieren
Die dargestellten Befunde der Wertekomission sind ernüchternd. Werfen wir daher heute einen Blick auf die SDGs und ihren möglichen Nutzen für Unternehmen.
Wo liegt der Fokus der SDGs?
2015 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen im September 2015 in New York die Agenda 2030. Ihren Kern bilden die 17 Nachhaltigkeitsziele mit ihren 169 Unterzielen. In der Erklärung verpflichteten sich alle 193 UN-Mitgliedsstaaten bis 2030
- Armut und Hunger zu beenden
- Die natürlichen Ressourcen zu schonen
- Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen
- Sich für eine gerechte und inklusive Gesellschaft einzusetzen.
Die vier Ziele, denen die größte Aufmerksamkeit gebührt, sind:
- SDG 13: Maßnahmen zum Klimaschutz
- SDG 6: Sauberes Wasser und Sanitärversorgung
- SDG 14: Maßnahmen gegen das Artensterben in den Gewässern
- SDG 15: Maßnahmen gegen das Artensterben an Land
Versagt die Menschheit bei der Erreichung dieser Ziele, so berauben wir uns unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Alle weiteren Ziele werden damit sinnlos.
Menschen und Unternehmen: Selbst verursachte Probleme lösen
Jeder muss an der Transformation zur nachhaltigen Wirtschaft mitarbeiten. International agierende Automobilzulieferer, Marketingagenturen, lokale Handwerksbetriebe: Die SDGs bilden die Basis Grundlage, um das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmen greifbar zu machen, die ökologischen und gesellschaftlichen Auswirkungen eines Unternehmens zu verstehen und die sich daraus ergebenden Handlungsfelder zu bestimmen.
„Unternehmen können im Rahmen ihres Kerngeschäftes einen Beitrag leisten. Wir rufen daher alle Unternehmen auf, die Auswirkungen ihres Handelns zu erheben, sich ehrgeizige Ziele zu setzen und ihre Fortschritte transparent zu kommunizieren“
Ban Ki-Moon, ehemaliger UN-Generalsekretär, 2015
Die Umsetzung der SDGs im Unternehmen
Zahlreiche Instrumente wurden bereits entwickelt, um die SDGs in Unternehmen umsetzen zu können. Ein Beispiel ist der Leitfaden „SDG Compass“, entwickelt von der Global Reporting Initiative (GRI), dem UN Global Compact (UNGC) und dem World Business Council for Sustainable Development (WBCSD). Ich arbeite in meinen Beratungsprojekten gerne mit dem SDG Action Manager, ein online gestütztes Verfahren der B Corporation. Das Tool wurde gemeinsam mit den UN erarbeitet und bietet eine smarte Nutzerführung.
Der SDG Action Manager in 4 Schritten
In vier Schritten stelle ich die Arbeit mit dem SDG Action Manager vor.
Schritt 1: Die SDGs verstehen
Struktur und Framework der Ziele für nachhaltige Entwicklung sind systemisch aufgebaut. Ziele und Unterziele sind interdependent. Auch in unserem Alltag können wir das erleben, aktuell beispielsweise beim Thema Ernährung: Zunehmende Dürre und Hitze infolge des Klimawandels lassen Agrarflächen und Ernten schrumpfen. Auch der Ukraine-Krieg in der Kornkammer Europas hat gravierende Auswirkungen auf die globale Ernährungssicherheit. Sowohl Klimawandel als auch Frieden haben also Auswirkungen auf Armut und Hunger. Alles hängt mit allem zusammen.
Durch die Sustainable Development Goals lassen sich Gesamtzusammenhänge besser verstehen. Gleichzeitig können wir dadurch in den Unternehmen einen niederschwelligen Dialog zu komplexen Themen einleiten und aufzeigen. Über die SDGs ist es einfach, eine gemeinsame Sprache zu finden und Bewusstsein über die globalen und lokalen Herausforderungen zu schaffen – sowohl innerhalb des Unternehmens und als auch mit seinen Stakeholdern.
Schritt 2: Prioritäten setzen
Nicht alle 17 SDGs haben die gleiche Relevanz für jedes Unternehmen. Während die eine Branche besonders viele Rohstoffe benötigt, verschmutzt die andere potenziell Gewässer. Dadurch sind auch die Beiträge, die die Unternehmen zur Erreichung einzelner SDGs machen können, sehr unterschiedlich. Um das herauszufinden, lohnt sich ein Blick auf die Wertschöpfungskette, und zwar in beide Richtungen (inside-out, outside-in). Mit einem High-Level Mapping kann man sich einen Überblick verschaffen und herausfinden, wo mit hoher Wahrscheinlichkeit signifikante Auswirkungen (positive oder negative) auftreten.
Dadurch lassen sich Handlungspotenziale identifizieren: Wo können positive Auswirkungen verstärkt werden? Wo lassen sich negative Auswirkungen reduzieren? Der SDG Action Manager nimmt eine detaillierte Punktebewertung vor. Anhand derer lässt sich schnell eine Priorisierung vornehmen.
Schritt 3: Ziele festlegen und KPIs definieren
Um Ziele überprüfen zu können, müssen Key Performance Indicators festgelegt werden. Diese orientieren sich am Ausgangswert sowie an den definierten Zielen, die sich in relative und absolute sowie kurz-, mittel- und langfristige Ziele untergliedern sollten.
Legt man Nachhaltigkeitsziele für das Unternehmen fest, so gilt es, die gesamte Wertschöpfungskette zu berücksichtigen:
- Produzenten
- Bestellung
- Verpackung
- Lieferung
- Entsorgung.
Schritt 4: Die SDG integrieren
Sind die KPIs definiert und die SDG priorisiert, dann gilt es, sie in die Unternehmensstrategie zu integrieren. Zudem müssen sie Teil der Unternehmensprozesse werden. Verantwortlich für ihre Umsetzung und die regelmäßige Evaluation sind die Führungskräfte. Maßnahmen zur Erreichung der selbst ausgewählten SDG können sein:
- neue Partnerschaften im Sinne der SDGs
- alte Partnerschaften auf den Prüfstand stellen
- Integration der SDG in sämtliche Unternehmensbereiche
Vorsprung bei der Erfüllung gesetzlicher Vorgaben
Gesetzliche Vorgaben seitens der EU wie die CSRD sowie Berichtsstandards wie GRI basieren auf den SDG. Unternehmen, die bereits an der Umsetzung der SDG arbeiten, sind im Vorteil, was gesetzliche Vorgaben betrifft. Wer sich ernsthaft mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung auseinandersetzt, ist für eine – auch zu einem späteren Zeitpunkt – in Kraft tretende Berichtspflicht bereits auf dem richtigen Weg.
Mehrwert von Nachhaltigkeit für die Markenkommunikation
Nachhaltigkeit ist von großem Wert für die Markenkommunikation und das Employerbranding. Nutzen lassen sich Maßnahmen im Unternehmen für mehr Nachhaltigkeit für die Firmenwebsite, Social-Media-Kanäle, Veranstaltungen sowie für die Kennzeichnung von Produkten und Dienstleistungen. Hier können die SDGs ein roter Faden für nachhaltiges Storytelling sein. Die Funktion der SDGs als gemeinsame globale Basis der Verständigung in Sachen Nachhaltigkeit kommt voll zum Tragen.
In den letzten beiden Jahren sind auf Basis der SDGs die sogenannten IDGs – die Inner Development Goals – entstanden. Die IDGs zielen auf die Entwicklung von Kompetenzen und Fähigkeiten von Mitarbeiter:innen und Führungskräften ab. Dadurch unterstützen sie die kulturelle Transformation von Unternehmen.
SDG Index 2022 – Deutschland nur auf Platz sechs
Der SDG Index der Bertelsmann Stiftung bietet detaillierte Daten und eine globale Sichtweise. In dem Report erfahren Sie, welche Länder die Ziele für nachhaltige Entwicklung bereits umgesetzt haben und wo es noch Aufholbedarf gibt. Hier können Sie den im Juni erschienen SDG Index 2022 herunterladen.
Der aktuelle Report zeigt: Bereits zum zweiten Mal in Folge macht die Welt keine Fortschritte bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele. Zahlreiche, parallel verlaufende internationale Krisen gefährden nun die Fortschritte bei den 17 Sustainable Development Goals.
Platz 1 belegt im Jahr 2022 Finnland, es folgen mit Dänemark, Schweden und Norwegen drei weitere skandinavische Länder. In den Top 10 befinden sich ausschließlich europäische Staaten. Deutschland steht auf Platz 6. Doch auch sie stehen bei zahlreichen SDG vor großen Herausforderungen.
Die größten Fortschritte sind in der Region Ost- und Südasien, angeführt von Kambodscha und Bagladesch, zu verzeichnen. Sie sind seit 2015 am stärksten vorangekommen, was die Verwirklichung von Nachhaltigkeit betrifft.
Am stärksten zurückgefallen im Ranking ist dagegen Venezuela.
Um erreichte Fortschritte nicht zu gefährden und weiter auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit voranzukommen, ist jeder gefragt. Machen auch Sie sich mit Ihrem Unternehmen auf den Weg in eine nachhaltigere Zukunft! Orientieren Sie sich an den SDGs und an de umfangreichen Wissen, das zu ihrer Anwendung bereits existiert. Bringen Sie Ihre Marke auf einen nachhaltigen Weg!
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