Die New-Work-Idee ist schon fast 40 Jahre alt, aber immer noch aktuell. Wie sieht unsere Arbeitswelt in Zukunft aus? Schon vor Corona gab es vielfältige innovative Ansätze, um New Work zu implementieren – in Corona gab es einige Beschleunigung – und wie wird es nach Corona sein? Einer, der neue Formen des Arbeitens seit vielen Jahren umsetzt, ist Bernd Fels, Initiator von spaces4future. Ein wichtiger Baustein des Konzeptes sind WorkCommunityHubs. Seine Ideen stellt er im Interview vor.
Zum Tod von Frithjof Bergmann
Kein Mensch hat die Idee der „Zentren der neuen Arbeit“ so geprägt wie Frithjof Bergmann, der im Alter von 91 Jahren am 25.05.2021 leider verstorben ist. Ich durfte Frithjof 1999 kennenlernen, als er seine Idee der „Zentren der neuen Arbeit“, die er in USA seit Mitte der 1980er Jahren aufgebaut hatte, nach Deutschland bringen wollte. Damals sprach hier noch keiner von New Work. Seinerzeit fanden sich jedoch nicht genügend Mit-Streiter:innen, die Bewegung ebbte ab, die New Economy und Dot Com (Blase) waren en vogue.
New Work: Aktueller denn je
Mehr denn je gilt es heute, den Gedanken von Frithjof Bergmann Aufmerksamkeit zu schenken, sie mit neuen Entwicklungen und Perspektiven anzureichern, und vor allen Dingen New Work in eine Post-Lockdown-Ära zu führen. Die gesellschaftlichen Entwicklungen, die Anforderungen an Städte, Räume, Orte und kommunale Infrastruktur wandeln sich – das System Arbeit ist in seinen vielschichtigen Facetten davon berührt.
Die Initiative spaces4future hat die Verbindung von Arbeiten, Lernen, Orten und kommunaler Entwicklung aufgegriffen. Ich unterstütze das Netzwerk von Experten:innen aus Architektur, Bildung, Kommunalpolitik, Wirtschaft, Logistik, Innovation, Mobilität, Stadtentwicklung und vielem mehr. Bernd Fels ist der Initiator von spaces4future. Ich habe ihn gebeten, ein paar Fragen für meinen Blog zu beantworten.
WorkCommunityHubs: Der dritte Ort
Stephan Grabmeier: Lieber Bernd, stelle Dich bitte kurz den Leser:innen vor. Wer bist Du und was ist Dein berufliches Anliegen?
Bernd Fels: Du hast mich als Initiator der Initiative spaces4future kennengelernt. Dies ist eine Leidenschaft, eine große Idee und sie ist fest verankert mit meinem eigentlichen Tun. Seit mehr als 20 Jahren bin ich mit dem Thema Neue Arbeitswelten unterwegs. 2011 gründete ich mit Sven Iserloth, dass „i“ in if5, if5. Wir beraten Organisationen vom Mittelständler bis hin zum Konzern, die die Bürowelt ändern wollen. Hierunter verstehen wir das optimale Zusammenspiel aus Organisation, Raum, Technik und Services mit dem Menschen im Mittelpunkt. Unser Motto: „Frohes Schaffen“, welches seit 2016 durch „Schönes Machen“ durch if5design, einem Innenarchitekturbüro komplettiert wird.
SG: Ihr habt mit spaces4future eine besondere Initiative gestartet. Erkläre bitte kurz, worum es dabei geht.
BF: Die Anfänge von spaces4future waren 2010, in der Pre-Startphase von if5. Wir machten uns Gedanken darüber, was das nächste große Ding in der Bürowelt wird und kamen zu dem Schluss: Coworking. Also gründeten wir die Initiative 3rd Places und organisierten mit den spaces im Jahr 2012 bis 2015 einen Kongress für Neues Arbeiten. Das OffX – woanders anders arbeiten – wurde am Potsdamer Platz in Berlin mit Industriepartnern Realität – wir lernten einen Coworking Space zu betreiben. In den Jahren 2015 bis 2019 wurde es leiser um die Initiative, bevor ich im Oktober 2019 vor Corona einen neuen Anlauf nahm. Schnell waren neue und alte Mitstreiter:innen gewonnen. Beiden Initiativen lag die Frage zugrunde, ob der tägliche Weg ins Büro notwendig ist oder ob wir nicht in netzwerkartigen Immobilienstrukturen besser und anders arbeiten sowie leben können. Die Vorteile liegen auf der Hand: Man spart CO2, teilt Wissen und kann Gemeinschaft leben.
Im März 2020 wurde alles anders. Ein breites und tiefes Verständnis von Arbeiten abseits des Firmenbüros entstand. Der Multiplikator für dezentraleres Arbeiten war von heute auf morgen da, auch wenn wir alle den „guten Weg“ zurück ins Büro herbeisehnen. Und dieser ist nach unserer Überzeugung vielfältiger, denn fünf Arbeitsorte prägen die Arbeitswelt von morgen:
- Ort, das Zuhause.
- Ort, das Firmenbüro.
- Ort, Coworking oder sogenannte WorkCommunityHubs der Initiative spaces4future.
- Ort, dem Weg von A nach B.
- Ort, da wo es gefällt.
WorkCommunityHubs: Bürgerhaus 2.0
SG: New Work wird häufig lediglich auf Arbeitsmethoden, coole Büros oder neu hybride Betriebsvereinbarungen reduziert. Euer Ansatz geht weit über das hinaus. Was ist Eure Intention?
BF: Wichtige sofort nachvollziehbare Gründe habe ich gerade bereits geliefert. Die WorkCommunityHubs – eine Spielart von Dritten Orten – wie spaces4future sie denkt, sind mehr als nur Coworking. Es ist kein Coworking im klassischen Sinne, denn die Community besteht im Vergleich zum klassischen Coworking aus dem Bürger, der ab und zu vor Ort ist. Eine Art Bürgerhaus 2.0. für Schüler, Rentner, Remote-Arbeiter, Arbeitssuchende. 1-2 Tage im Hub, 2-3 Tage im Büro und 1-2 Tage Daheim, dass könnte der Mix für den Remote-Arbeiter von morgen beispielsweise sein. Vormittags Selbststudium, ab Nachmittags Schulungen, dass könnte ein Tag im Leben eines Arbeitssuchenden oder eines Rentners sein. Bis 16 Uhr eher Arbeits-, dann vermehrt Lernort und in den Randzeiten Eventfläche. 7 Tage die Woche, mindestens 20 Stunden am Tag, je nach Bedarf. Bespielt und kuratiert von Stadt, Arbeitsagentur und/oder Lerninstitutionen, die flexibel auf die Multifunktionsflächen zugreifen können.
Die Organisation von beispielsweise Konferenzen ist somit immer möglich, da die Flächen multifunktional nutzbar und die Nutzendenden flexibel sind. Neben Multifunktionsflächen gibt es eine Vielzahl an weiteren, optionalen Flächenbausteinen, die je nach Objektlage und -größe additiv hinzukommen können: Handels-, Wohn-, Beherbergungs-, Produktions-, Logistikflächen etc. Die Besonderheiten in Zeiten der Digitalisierung: der Ort funktioniert real, digital und hybrid. Er funktioniert im Kern, aber auch in der Umgebung, da er eine Art „Mutterschiff“ darstellt, der immer wieder kleine Schnell- aber auch Fischer- und Tretboote temporär mit aufnehmen kann. So wird er zum Kern, zum Startpunkt von einer neuen Innenstadtkultur.
SG: Woran arbeitet Ihr gerade? Kannst Du ein Beispiel nennen?
BF: Wir denken Braunschweig, meine Heimatstadt gerade neu. „New Brunswick“ ist eine Art Blaupause, die wir ohne Auftrag und als Beispiel für andere Kommunen vorwegdenken. Es fing an mit einer Umnutzungsidee für Galeria Kaufhof.
30.000 m2 in bester Innenstadtlage haben wir einfach mal neu beplant. Ideen für die Nutzung (vom lokalen Handel über Logistik bis hin zu den Multifunktionsflächen), Betrieb, Architektur- und Innenarchitekturidee entstanden. Inzwischen ist „Hort10“, so der Arbeitstitel, in ein komplettes Stadtentwicklungskonzept eingebettet. Braunschweig 2030 haben wir vor Augen. Die wichtigsten Stakeholder der Stadt „beäugen“ die Idee – in der Regel mit sehr positivem Feedback. Es braucht Mut und Weitsicht, um weitere Umsetzungsschritte zu gehen, die Idee besteht.
Interdisziplinäres Projekt: Vielfältige Perspektiven sind notwendig!
SG: Wer hat sich der spaces4future Initiative bisher angeschlossen?
BF: Das Thema der WorkCommunityHubs kann nicht alleine gedacht werden. Es ist keine Raketenwissenschaft, aber es ist komplex und ein „dickes Brett“. spaces4future hat folgende Berufsgruppen vereint: Organisationsberater:innen mit Schwerpunkt „New Work“, Kommunal-, Handels-, Logistik- und Eventberater:innen, Architekt:innen, Innenarchitekt:innen, Städteplaner:innen und Immobilienbewerter:innen.
SG: Um ein spaces4future-Konzept in einer Stadt umzusetzen braucht es mutige Gestalter:innen. Welches Profil sollten die mitbringen?
BF: Absolut, es braucht mutige Gestalter:innen. Wir selbst zählen uns auch dazu, da die Ideen bisher ausschließlich aus dem Glauben an die Idee entstanden sind. spaces4future hat inzwischen vielfältigste Unterstützer:innen aus der Wissenschaft, der Politik und Institutionen. Es ist ein Projekt, welches durch Vorwegdenker:innen wie uns, der öffentlichen Verwaltung / der Politik, den Eigentümer:innenn, den Finanzierenden, einem:r Betreiber:in und der Community gestaltet wird.
Das Projekt ist somit von Vielfalt geprägt. Das ist Vor- und Nachteil zugleich. Wer will schon langwierige, mit vielen Akteur:innen behaftete Projekte machen? Eigentlich Niemand, aber wir haben keine Wahl, denn monofunktionale Bürogebäude, Handels- und / oder Hoteltempel der Vergangenheit sind keine Option mehr. Die Welt ist BANI, wir benötigen frische und nachhaltige (Ökonomie, Ökologie, Gesellschaft) Konzepte für die Zukunft. spaces4future leistet einen Beitrag hierzu.
SG: Lass uns groß und weit denken: Wo würdest Du 2025 mit Spaces for Future gerne stehen?
BF: Think Big, Start Small, Act Fast. Bis 2026 haben wir ein 5-Jahres-Programm für „New Brunswick“ erstellt. Ich hoffe, die ersten vier Projekte sind dann Realität. Für Deutschland würde ich mir wünschen, dass alternative Arbeitsorte (Coworking, Dorf-, Netzwerk-, Quartierbüros und WorkCommunityHubs) im Sinne der „15-Minuten-Stadt / des 15-Minuten-Umlands“ für ein Großteil der 80 Millionen Bürger:innen zumindest in der Planung Realität geworden sind. Bestehender Leerstand vor und nun mit Corona birgt genug Chancen. An Fläche mangelt es nicht.
SG: Danke für die Einblicke, ich bin gespannt darauf, wie es weitergeht!
Liebe Leser:innen, wenn Ihr eine Idee zur Umsetzung eines WorkCommuniyHub habt, bitte meldet Euch jederzeit bei Bernd oder mir. Jetzt gilt es in die Umsetzung zu kommen und diesen wichtigen Ideen Momentum zu verschaffen!
Bernd Fels
Bernd Fels, Jahrgang 1969, Diplomvolkswirt mit immobilienwirtschaftlichen Zusatzausbildungen, berät seit 2000 zum Thema New Work. Mitgründer von if5 anders arbeiten, if5design, der Möbelmanufaktur mobeti für agile Projektmöbel sowie Initiator von spaces4future. (Bild: © spaces4future)
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